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Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland

Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland

Titel: Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wolfrum
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Fernsehansprache vom 1. Juli 1990 sagte Bundeskanzler Helmut Kohl: «Nur die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion bietet die Chance, ja die Gewähr, dass sich die Lebensbedingungen rasch und durchgreifend bessern. Durch eine gemeinsame Anstrengung wird es uns gelingen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Sachsen und Thüringen schon bald wieder in blühende Landschaften zu verwandeln …» Damit war ein in Windeseile geflügeltes Wort in die Welt gesetzt. Kohls bildhafte Ansprache von einer postwendend strahlenden Zukunft, geprägt von Einheit und Gleichheit weckte große Hoffnungen: Würde eine Währungsunion ein zweites Wirtschaftswunder – dieses Mal in Ostdeutschland – entfachen, so wie nach der Währungsreform 1948 im Westen?
    Das D-Mark-Angebot war eine der wichtigsten Initiativen auf dem Weg zur deutschen Einheit. Lange blieb jedoch umstritten, wie man das Unterfangen ausgestalten sollte. Die DDR-Wirtschaft war seit vierzig Jahren vom Weltmarkt weitgehend isoliert, ihre Industrie und ihre Infrastruktur waren hoffnungslos veraltet, der Gesamtzustand konnte nur als ruinös und marode bezeichnet werden. Wenn man in der DDR die Deutsche Mark einführte, dann konnte dies nicht als Folge eines marktwirtschaftlichen Erfolges geschehen – diesen gab es nicht –, sondern nur als Grundlage für einen solchen in der Zukunft. Was das Wechselverhältnis zwischen DDR-Mark und D-Mark anlangte, so kursierten verschiedenen Vorstellungen. Realistisch schien vielen ein Wechselkurs von 5:1. Bundesfinanzminister Theo Waigel plädierte für ein Stufenmodell, das ein angeglichenes Preisniveau als Konsequenz haben sollte. Er stieß damit beim größten Teil der Wirtschaftsexperten auf Zustimmung. In eine ähnliche Richtung ging ein Vorschlag von Tyll Necker, dem Präsidenten des Bundesverbandes der deutschen Industrie: Ein Fünf-Stufen-Plan mit anfangs flexiblen, später festen Wechselkursen sollte für eine sanfte Währungsreform sorgen. Aus den Reihen der Liberalen kam die «Österreichlösung». Bei dieser Maßnahme hätte man die DDR-Mark an die D-Mark gekoppelt wie schon einmal mit dem österreichischen Schilling verfahren worden war, und so den Wechselkurs künstlich stabilisiert. Das entscheidende Manko war allerdings, dass die DDR, anders als Österreich, über keine Devisenreserven verfügte. So wäre es alleinige Aufgabe der Bundesbank gewesen, die Ost-Mark zu stützen, was zwangsläufigzu einem Kursrückgang der D-Mark geführt hätte. Oskar Lafontaine, Kanzlerkandidat der SPD, glaubte, über einen besonders guten Plan zu verfügen: er wollte eine langsame Angleichung statt sofortiger Währungsunion. Gleichzeitig schlug er vor, Übersiedlern aus dem Osten den Zugriff auf die Sozialleistungen im Westen zu verwehren. Lafontaine wollte die Ostdeutschen nicht zwingen, in ihrer Heimat auszuharren, wie manche argwöhnten; das konnte er gar nicht. Aber er wollte die Übersiedlung nicht auch noch fördern.
    «Kommt die DM bleiben wir, kommt sie nicht, geh’n wir zu ihr» – schnell machte dieser Ruf in der DDR die Runde. Seit der Öffnung der Mauer war die Zahl der DDR-Bürger, die in die Bundesrepublik übersiedelten, dramatisch gestiegen. Allein zwischen dem 9. November und dem 31. Dezember 1989 hatten fast 350.000 Menschen die DDR verlassen. Im Januar 1990 waren es sogar 2000 pro Tag. Die Erwartungen der DDR-Bürger prallten auf die ökonomische Vernunft. «Ohne 1:1 werden wir nicht eins» hieß es bald. Ergebnis der Verhandlungen zwischen dem letzten DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maizière und Hans Tietmeyer, dem Wirtschaftsberater des Bundeskanzlers, war ein Kompromiss: Löhne, Gehälter, Mieten und Sparguthaben (Letzteres gestaffelt nach Alter und bis zu 6000 Mark) wurden im Verhältnis 1:1 umgetauscht, Schulden und weitere Guthaben im Verhältnis von 2:1. Am 18. Mai 1990 wurde der «Staatsvertrag zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion» zwischen der BRD und der DDR im Bonner Palais Schaumburg unterzeichnet. Die Währungsunion bedeutete einen radikalen Bruch mit der sozialistischen Vergangenheit, die in den übrigen Transformationsländern keine Parallele fand.
    Nun hieß es, große logistische Probleme zu meistern. Mit einer Investition von 60 Millionen D-Mark richtete die Bundesbank 15 neue Zweigstellen mit 250 Beamten und 900 ostdeutschen Angestellten in der DDR ein. Um die großen Bargeldbestände für den Umtausch zu sichern, mussten spezielle Geräte zur

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