Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland
modernen europäischen Geistes heraustrat …». Später schloss er mit den Worten: «Diese Ausstellung ist weder als Bereicherung für Kenner noch zur Belehrung Widerstrebender gedacht. Sie ist für die heraufwachsende Jugend gedacht, für deren noch unbekannte Maler, Dichter, Denker, dass sie erkennen mögen, welcher Grund ihnen zubereitet wurde und was es zu verwalten und was zu überwinden gilt. Rechtfertigung und Würde unseres modernen Geistes ist immer das Bewusstsein unserer Freiheit nach vorn.»
Vier Jahre später, 1959, zur zweiten documenta, erwiesen sich die Ausstellungsmacher als noch mutiger, denn sie wandten sich der «Kunst nach 1945» zu. Propagiert wurde, so hieß es im Katalog, «das globale Abstraktgewordensein der modernen Kunst; es galt, für diesen Anspruch der gegenstandsbefreiten Bildpraxis eine lückenlose Entwicklungslogik zu konstruieren». Farbe wurde als Farbe und Form als Form reflektiert. Und dies verfehlte seine Wirkung nicht:Wer sich in der staatlichen Kunstförderung der Bundesrepublik jener Jahre umschaute, wer einen Blick in die öffentlichen Gebäude warf, wer sah, wie sich Industrieverbände um eine Kunstförderung bemüht zeigten – dem wurde schnell klar, dass westliche Moderne und Abstraktion zwei Seiten der selben Medaille darstellten. Die documenta entfaltete einen erheblichen Schwung und verhalf verschiedenen Stilrichtungen zum Durchbruch – in den 1960er Jahren der amerikanischen Pop-Art, später Performances und der Video-Kunst. Auf der documenta wurde Kunstgeschichte geschrieben: Die Installationen von Joseph Beuys, einem der genialsten und größten deutschen Künstler des 20. Jahrhunderts, waren unter den Zeitgenossen ebenso umstritten wie sie mittlerweile legendär geworden sind. Beuys’ Kreativität weitete sich auf sämtliche Lebensbereiche aus, und seine Ideen einer sozialen und ökologischen Plastik verwirklichte er aufs Schönste in dem Projekt «Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung» anlässlich der documenta 7 im Jahr 1982: 1000 Eichen wurden gepflanzt.
76. Wer waren die «Helden von Bern»? «Aus! Aus! Aus! Das Spiel ist aus!» – mit sich überschlagender Stimme brüllte Rundfunkjournalist Herbert Zimmermann diese Botschaft in den Äther; man wähnte ihn bereits am Rande eines Herzinfarktes, so klang er. Deutschland hatte die hoch favorisierten Ungarn bei der Fußball-WM 1954 im Endspiel von Bern mit 3:2 geschlagen. Den entscheidenden Treffer schoss Rahn fünf Minuten vor dem Schluss nach einer Flanke von Schäfer. «Es war unbeschreiblich, was sich nach dem Schusspfiff des englischen Schiedsrichters Ling in dem ausverkauften Wankdorfstadion tat», schrieb tags darauf die Frankfurter Rundschau. «Unter dem Jubel der 650.000 Zuschauer mussten die deutschen Spieler eine halbe Ehrenrunde laufen, ehe sie zur Siegerehrung kamen. Der ehrwürdige langjährige Präsident der FIFA, Jules Rimet, nach dem der Weltmeisterschaftspokal benannt ist, überreichte dem deutschen Mannschaftskapitän Fritz Walter die Siegestrophäe. Die deutsche Nationalhymne erklang, und während Fritz Walter dem Bundestrainer Sepp Herberger spontan den Pokal weiterreichte, trafen schon die Glückwunschtelegramme aus Deutschland ein, unter ihnen die von Bundespräsident Heuss und Bundeskanzler Adenauer.»
Die «Helden von Bern» schrieben Fußballgeschichte. Aber nicht nur dies. Für das arg gebeutelte deutsche Selbstwertgefühl war derTitelgewinn von nicht zu überschätzender Bedeutung. «Wir sind wieder wer» wurde zum geflügelten Wort, auch wenn damit ungute Erinnerungen an «Wir waren schließlich schon einmal wer!» mitschwangen. Übrigens: «Die deutsche Nationalhymne erklang …», so stand es in der Frankfurter Rundschau zu lesen. Verschwiegen wurde allerdings der peinliche, aber doch auch bezeichnende Fehlgriff: Die 5000 deutschen Schlachtenbummler in Bern stimmten die deutsche Nationalhymne an, doch sie sangen die Strophe «Deutschland, Deutschland über alles ….» und nicht die neue Hymne in Gestalt der dritten Strophe des Deutschlandliedes «Einigkeit und Recht und Freiheit …». Dies zog heftigen internationalen Protest nach sich.
77. Warum sind Bildung und Kultur Ländersache? Anders als in den meisten zentralstaatlich verfassten europäischen Staaten sind in den vielen selbstständigen deutschen Feudalstaaten und Stadtrepubliken seit dem 17. Jahrhundert eine Fülle von Kultureinrichtungen geschaffen worden. Diese selbstständigen kulturellen Traditionen sind bis
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