Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus
doch ir zweier hût» [doch die Farbe ihrer Haut war verschieden]. Weiterhin heißt es, dass Gahmuret «daz swarze wîp/Lieber dan sîn selbes lîp» hatte, «er seine dunkle Gattin mehr als das eigene Leben» liebte. Auch andernorts spielt Belacanes «Hautfarbe» eine Rolle, etwa wenn sie als «daz swarzevel» [«Dunkelhäutige»] bezeichnet oder betont wird, dass Belacane Gahmuret mit ihrer «swarzer hant» [schwarzen Hand] verführt.
Hier zeigt sich, dass Wolfram von Eschenbach das Sehen von «Hautfarbe» geläufig war. Welche Bedeutung kommt ihr aber in seinem Text aus dem 12./13. Jahrhundert zu? Eine Antwort findet sich in der Szene, in der Gahmuret (die schwangere) Belacane verlässt. Er versichert ihr, dass dies nichts mit ihrer «swerze» [ihrem Schwarzsein], sondern allein mit ihrem Glauben zu tun habe. Gerade weil er «Hautfarbe» überhaupt einführt im Sinne von «es macht mir nichts aus, dass du Schwarz bist», fungiert diese als symbolischer Ort religiöser Differenz.
Während «swerze» [Schwarzsein] eindeutig mit dem Islam verschränkt ist, erfolgen analoge Gleichsetzungen von Weißsein und Christentum nur indirekt. Weder Parzival noch seine Mutter Herzeloyde werden explizit als Weiße markiert. Jedoch werden etwa dieHände von Herzeloyde als «linden handen wîz» [lindenweiße Hände], also als zart und weiß und damit als wahres Meisterwerk Gottes, beschrieben. Zudem wird ihr Weißsein, metaphorisch an die christliche Symbolik von Licht anknüpfend, darüber markiert, dass sie in Helligkeit erstrahlt. Wie bedeutsam die Differenz von «Hautfarben» für Wolframs Text ist, zeigt sich daran, dass das Kind, das Belacane, kurz nachdem Gahmuret sie verlassen hat, zur Welt bringt, «zwiefarben» ist: «Haut» und «Haare» waren weiß und schwarz gescheckt, heißt es, wie das Gefieder einer Elster. Nomen est omen, denn sie nennt ihn Feirefiz –
gesprenkelter Sohn.
Auch die Zweifarbigkeit wird als «ein Wunder Gottes» bezeichnet. Belacane bedeckt allerdings allein Feirefiz’ weiße «Hautstellen» mit Küssen: Wolfram lässt sie also Weißsein dem Schwarzsein überordnen.
Die sich hier andeutende Wertung wurde bereits in den Eröffnungszeilen vorweg genommen, in denen die Elster-Allegorie einführend farbsymbolisch verortet wird. In der Logik der christlich konturierten Farbsymbolik wird das Weiß (der Elster) als Farbe von Mannesmut, Ruhm, Festigkeit, Licht und des Himmels verortet und dabei antithetisch dem Schwarz (der Elster) als Schauplatz von Feigheit, Schmach, Finsternis und Hölle gegenübergestellt.
Seine weißen Hautflecken ermöglichen es Feirefiz, im Unterschied zu seiner Mutter, in Europa und unter Christ_innen zu leben. Jedoch sorgen die schwarzen Hautstellen gleichzeitig dafür, dass er Parzivals antithetisches «Anderes» bleibt. Feirefiz ist bemüht, sein Nicht-dazu-Gehören zu überwinden, sich zu integrieren, wenn man so will. Während es Belacane bei der Absichtserklärung, sich christlich taufen zu lassen, belässt, geht Feirefiz gänzlich überzeugt diesen Schritt. So kann schließlich auch er den Gral sehen und sogar die Gralshüterin heiraten. Doch Parzivals Welt erlaubt ihm nur scheinbar einzutreten. Denn dieser fordert ihn auf, dahin zurückzugehen, wo er hergekommen ist – und zwar nach Indien, wie der Orient jetzt geographisch präzisiert wird. Dies zeigt, dass Feirefiz ein «Fremder» in Europa bleibt, der nicht dazu gehören kann – weil er als Moslem geboren wurde, was ihm auf den Körper geschrieben bleibt. Während in anderen mittelalterlichen Dichtungen, wie der Romanze
King of Tars,
die Konvertierung zum Christentum auch mit einer Weißwerdung der Figur einhergeht (oder auch dem Ablegen bestialischer Körpermerkmale), gibt es keine Hinweise darauf, dass sich Feirefiz’ «Hautfarbe» ändert.
Belacane und Feirefiz widersprechen der These, dass Hautfarbe im 12./13. Jahrhundert keine Rolle spielte. Vielmehr bezeugen sie, dass religiöse und kulturelle Unterschiede bereits damals hautfarbenkodiert waren. Dabei verschmilzt die Schwarz-Weiß-Dichotomie mit jener zwischen Islam und Christentum, wobei Islam ebenso wie Schwarzsein als dem
weißen
Christentum unterlegen verortet wird. Wolframs von Eschenbach
Parzival
ist ein kultur-historisches Dokument dafür, wie «Hautfarbe» bereits im Mittelalter als Differenzkategorie fungierte.
22. Warum führt der Jakobsweg in die spanische Reconquista? Mit der spanischen Reconquista ist die Rechristianisierung gemeint, die
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