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Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus

Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus

Titel: Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Arndt
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für Spaniens Monopolstellung in der Karibik. Gleichzeitig unterwarfenEuropäer_innen immer mehr Territorien in den Amerikas, die Zahl der Deportierten nahm rasant zu. Für die 1680er Jahre geht man von etwa 10.000 jährlich verschleppten Menschen aus, um 1720 herum waren es bereits 50.000. Im 18. Jahrhundert pendelten hunderte europäische Schiffe unentwegt zwischen Afrika und den Amerikas. Vor allem der Anbau und die Verarbeitung von Baumwolle verlangten nach Millionen Arbeitskräften.
    Es gibt keine genauen Zahlen darüber, wie viele Afrikaner_innen insgesamt zu Sklav_innen gemacht wurden. Von den allermeisten sind nicht einmal ihre Namen überliefert, etwa ein Viertel waren Kinder. Historiker_innen gehen davon aus, dass zwischen dem frühen 16. Jahrhundert und 1867 bis zu 30 Millionen Afrikaner_innen versklavt wurden, von denen nur geschätzte 12 Millionen in den Amerikas ankamen.
    Millionen versklavte Afrikaner_innen starben bereits auf dem Weg aus dem Landesinneren an die Küsten, oft, weil sie sich widersetzten und dabei verletzt oder getötet wurden. An den Küsten wurden Festungen gebaut, in denen die Verschleppten oft monatelang in dunklen, kalten und feuchten Gruften buchstäblich gestapelt wurden. Krankheiten wüteten und kosteten Millionen Menschen das Leben. Diese grausamen Lebensbedingungen haben gar nichts mit einem Schloss oder einer Burg zu tun und doch wurden diese Festungen im zynischen Kolonialjargon oft «slave castles» genannt. Auch der Begriff der «Middle Passage» überdeckelt jene Grauen, die die etwa zweimonatigen Zwangsüberfahrten zwischen Afrika und den Amerikas begleiteten. Mehr als 18 Millionen Afrikaner_innen wurden durch schmale Pforten auf die Schiffe getrieben, die sie in die Amerikas bringen sollten. Dass diese Pforten «gates of no return» genannt wurden, spiegelt wider, was die Afrikaner_innen erwartete. Heute wird davon ausgegangen, dass möglicherweise bis zu sechs Millionen Menschen bereits während dieser qualvollen Zwangsüberfahrt starben. Gebrandmarkt wie Tiere und gewogen wie eine Ware wurden die Afrikaner_innen nackt und in Ketten auf die Schiffe getrieben. Manche mussten sitzen, andere auf der Seite liegen. Sie wurden gezwungen, inmitten von Urin, Fäkalien und Blut sowie Maden, Ratten, Bakterien und Viren zu überleben. Viele erkrankten und wurden oft noch lebend in den Ozean geworfen. Andere flüchteten freiwillig in den Tod, manche schafften es zu rebellieren und bezahlten dies mit Folter und Tod. Gewalt war dieSprache der
weißen
Besatzung, Vergewaltigung gehörte zu deren täglichen Vergnügen. So wurde der Atlantik Zeuge und Schauplatz zahlloser Verbrechen und ein Massengrab geschundener Körper und Seelen. Die «gates of no return» haben die Weltgeschichte wie kaum etwas anderes einschneidend verändert – die Folgen sind bis heute überall präsent.
    25. War die europäische Versklavung von Afrikaner_innen singulär?   Die europäische Versklavung afrikanischer Menschen wird nicht selten mit anderen Formen der Sklaverei gleichgesetzt. Diese habe es schon immer überall gegeben, speziell in Afrika sei Sklaverei sehr verbreitet (gewesen), wobei der transsaharische Versklavungshandel, von dem arabische Gesellschaften profitierten, nur ein Beispiel von vielen sei. Selten wird unerwähnt gelassen, dass es afrikanische Zwischenhändler gab. All dies ist richtig und doch lässt sich in dieser Argumentation eine Strategie erkennen, die europäischen Massenverbrechen zu relativieren. Wird mit betontem Blick auf die Shoah analog davon gesprochen, dass es Pogrome gegen Jüdinnen und Juden schon immer und nicht nur in Deutschland gegeben habe, so kann das zu Recht als Relativierung des Holocaust verstanden werden. Sogar strafrechtlich kann dies in Deutschland geahndet werden.
    Die europäische Massenversklavung von Afrikaner_innen unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von jeder anderen Form der Sklaverei. Zunächst einmal fanden neue Technologien, etwa der Schiffsindustrie, Anwendung, die dazu führten, dass die Zahl der versklavten Menschen ein nie zuvor gekanntes Ausmaß erreichte. Neben der technischen Form der Versklavung und der Anzahl der Opfer stellt auch die strukturell angelegte Grausamkeit ein Novum dar. Hinzu kam, dass die Sklaverei von einer breiten intellektuellen Schicht von Theologen, Juristen, Philosophen, Naturforschern, Medizinern, Anthropologen, Schriftsteller_innen u.a. verteidigt wurde. Da ihnen Rassismus als Legitimation diente, waren

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