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Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus

Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus

Titel: Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Arndt
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Gobineau erhob «Rassen» zum weltgeschichtlichen Strukturmerkmal. Für ihn war «Rasse» kein Fakt, sondern ein Wert. Seine Überlegungen schlossen explizit die apokalyptische These ein, dass sich «höhere» gegen «niedere Rassen» zur Wehr setzen müssten und deshalb ein globaler «Rassenkrieg» bevorstehe.
    Das Ende der Menschheit vor Augen, wollte Gobineau erklären, warum dieses Ende unausweichlich sei. Der Autor gehörte zum extremen Flügel jener französischen Elite, die strikt gegenrevolutionär eingestellt war. Der Untergang des
Ancien Régime
bedurfte einer Erklärung, die bei Gobineau zu einer welthistorischen Untergangsstimmung führte. Nach Gobineau gab es am Anfang der Menschheitsgeschichte drei «Rassen» – eine «weiße», eine «gelbe» und eine «schwarze». Die «weiße Rasse» sei die schönste, intelligenteste und dynamischste, die «gelbe» ausschließlich auf Nutzbringendes konzentriert und die «schwarze» könne lediglich augenblicklichen Gefühlen folgen. Verantwortlich dafür sei das «Blut». Reine «Rassen» habe es nur zu Beginn gegeben. Die «Vermischung des Blutes» sei zunächst durchaus sinnvoll gewesen, weil so die «weiße Rasse» Blutanteile erhalten habe, die sie zu größeren künstlerischen Fähigkeiten gelangen ließen. Ab einem bestimmten Zeitpunkt der Entwicklung habe sich der temporäre Vorteil der «Mischung» umgekehrt in eine unaufhaltsame Degeneration der «Rassen». Hier sei vor allem die «weiße Rasse» Hauptleidtragende, weil die anderen nie zu ihr aufschließen könnten, während sie selbst mehr und mehr degeneriere. Das war auch das Hauptargument, warum Gobineau sich gegen Kolonialismus aussprach, weil dieser die «Vermischung» der «Rassen» befördere. Der Untergang der menschlichen Zivilisation sei aber nicht aufzuhalten, weil sich das «Blut» bereits so «vermischt» habe, dass es für eine Zukunftsvision nicht mehr tauge. Das einzige Potential sah er lediglich in der «arischen Rasse», einem reinen Ideologieprodukt, das Gobineau in England und Norddeutschland verortete.
    Gobineaus Buch war keine dem damaligen naturwissenschaftlichen Erkenntnisstand verpflichtete geschichtsphilosophische Darlegung. Es bündelte vielmehr krude geschichtsdeterministische Annahmen, anthropologische Behauptungen und biologistische Vorurteile zu einer rassistischen Weltdeutung. Gobineau gilt als einer der wichtigsten Vordenker der nationalsozialistischen Ideologie.
    Nirgendwo erfuhren Gobineaus Buch und sein «Arier-Mythos» ab Ende des Jahrhunderts eine solch starke Rezeption wie in Deutschland. Nationalistische Kulturkritik, etwa von Paul de Lagarde, Julius Langbehn oder Arthur Moeller van den Bruck, stieß dort auf breites Interesse. Aber niemand hat in Deutschland so wirkungsmächtig wie Houston Stewart Chamberlain (1855–1927), mit seinem 1899 erschienen Buch «Die Grundlagen des XIX. Jahrhunderts», den rassistischen «Arier-Mythos» als Chauvinismus- und Unterdrückungsideologie verbreitet. Das Hauptziel des Pamphlets war es, den «Ariern» ihren Platz in der Gegenwart und Zukunft zu verschaffen, den seiner Meinung nach diese «Rasse» als «Herrenrasse» verdiene. So wurde auch Chamberlain zum wichtigen Stichwortgeber des Nationalsozialismus.
    Anders als Gobineau glaubt Chamberlain nicht an die historisch unabänderliche Degeneration der «Rassen». Vielmehr sieht er unter Berufung auf Darwin die Möglichkeit einer geschichtsoptimistischen «Rassenentwicklung» – allerdings nur bei der «arischen Rasse». In deren Blut liege ein Charakter begründet, der für alle anderen unerreichbar sei. «Rasse» stehe über Nationen, weshalb die «arische Rasse» ihr Blut vorwiegend inzestuös weitergeben und so rein bewahren solle.
    Chamberlain mag einer der auffälligsten Rassisten gewesen sein, argumentiert aber hat er aus der Mitte der Gesellschaft heraus. Erinnert sei nur exemplarisch an Max Webers kulturelle Weltsendungsideologie, die er Deutschland 1895 zusprach, oder an die zeitgenössische Auseinandersetzung des bedeutenden Historikers Otto Hintze mit Gobineau und Chamberlain um die Jahrhundertwende. Er lehnt zwar vieles von beiden Autoren ab, redet aber «unserer deutschen Rassenbildung» das Wort, die keine «Rassenmischung» zulassen dürfe, da «die deutsche Rasse der Zukunft» nicht nur vom «Gemüt», sondern vor allem vom «Geblüt» geprägt sei. Weder Weber, der sich alsbald von «Rassetheoremen» lossagte, noch Hintze noch die vielen anderen europäischen

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