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Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus

Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus

Titel: Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Arndt
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und Abolitionist_innen klagten Caesar (aber nicht Dunlop) an. Er wurde freigesprochen, nachdem Sarah Baartman ausgesagt hatte, dass sie zu diesen Handlungen angeblich nicht gezwungen werde. Caesar tourte dann durch die englische Provinz. Bald darauf verschwand er, Dunlop starb, doch Sarah Baartman lebte nicht als freie Frau weiter, sondern wurde erneut von einem Mann vorgeführt, nunmehr in Paris. Hier regte sich kein abolitionistischer Protest, wohl aber «wissenschaftliches» Interesse. Im März 1815 wurde sie betrachtet, gezeichnet und vermessen unter der Ägide des Anatoms und «Rassenforschers» Georges Cuvier. Als sie kurz darauf verstarb, wurde ihm im Januar 1816 ihr Leichnam für Experimente zur Verfügung gestellt. Auch im Tod fand ihr Körper keine Ruhe. Diese Leichenschändung setzte sich fort, als ihr Gehirn und ihre Genitalienin den Magazinen des Pariser
Musée de L’Homme
archiviert und ihr Skelett neben einem kolorierten Gipsabdruck ihres Körpers ausgestellt wurde. Erst 1982 wurde sie aus der offiziellen Ausstellung befreit. Und nochmals 20 Jahre später konnte sich Frankreich dazu durchringen, ihr ein gebührendes Begräbnis zu gewähren, wozu es siebenjähriger Verhandlungen mit der südafrikanischen Regierung und eines Sondergesetzes bedurfte, das am 6. März 2002 vom französischen Präsidenten Jacques Chirac unterzeichnet wurde. Im Zuge dessen erhandelte sich Frankreich die Rückversicherung, andere kolonialistisch erworbene Besitztümer behalten zu können.
    Am 9. August 2002 wurden die sterblichen Überreste von Sarah Baartmann im südafrikanischen Hankey feierlich beigesetzt. Ihr wurde ein Staatsakt gewidmet, nahezu 200 Jahre, nachdem sie im Alter von etwa 25 Jahren verstorben war. Wenn wir heute über sie sprechen, so sollten wir sie nicht immer wieder erneut nackt und bloß stellen oder sie gar rassistisch-sexistisch bezeichnen. Die Crux, vor der wir stehen, fängt aber bereits mit dem Umstand an, dass wir auch Sarah Baartmans richtigen Namen nicht kennen. Der damalige Präsident Südafrikas, Thabo Mbeki, sagte während der Beisetzung 2002: «Sarah Baartman hätte niemals nach Europa gebracht werden dürfen. Sie hätte niemals ihres Namens beraubt und Sarah Baartman genannt werden dürfen … in Europa als monströse Wilde zur Schau gestellt werden dürfen … Nicht der missbrauchte Mensch ist monströs, sondern jene, die sie missbraucht haben.»
    41. Was ist mit der «Bürde des weißen Mannes» gemeint?   Die «Kolonialfrage» treibt in der britischen Literatur im ausgehenden 19. Jahrhundert neue Blüten. Dazu gehört der im kolonialistisch besetzten (heutigen) Indien geborene Autor des
Dschungelbuches
Rudyard Kipling (1865–1936).
    Im Februar 1899 schrieb der spätere Nobelpreisträger (1907) ein Gedicht mit dem Titel
The White Man’s Burden: The United States and The Philippine Islands.
Er schickte es Theodore Roosevelt, 1900 Vizepräsident und von 1901 bis 1909 der 26. Präsident der USA. Die literarisch verpackte Botschaft lautete, die USA sollen sich nunmehr der «Bürde» eines Empires stellen. Dabei fiel das Erscheinen des Gedichtes (in der Februarausgabe 1899 des
McClure’s Magazine
) mit dem Beginn des philippinisch-US-amerikanischen Krieges zusammen und mit der Unterzeichnung jenes Vertrages durch den Senatder USA, der Puerto Rico, Guam, Kuba und die Philippinen unter US-amerikanische Kontrolle stellte. Roosevelt schickte das Gedicht seinem Freund Senator Henry Cabot Lodge, versehen mit dem Kommentar, dass es zwar «poetisch arm sei, jedoch den richtigen Sinn für die Expansionsfrage habe». Schon bald wurde der Titel des Gedichtes zum euphemistischen Topos für die Gräueltaten des Kolonialismus.
    Die «Bürde des weißen Mannes» meinte, die Welt mit Kolonialmethoden «retten» zu müssen. Dazu benötigten die Kolonialist_innen das entsprechende Pendant: den «unzivilisierten, primitiven» Kolonisierten. Zum einen wurde der Kolonisierte als kindesgleich imaginiert. Im Kern zielt es in einem materialistischen Zugriff auf Geschichte darauf ab, gesellschaftliche Dynamiken Europas zur Norm zu erheben und den Entwicklungsstand der kolonisierten Gesellschaften in den Warteraum der Geschichte zu stellen – auf ewig dazu verdammt, Europa hinterherzuhinken. Die «imperial race» sei aufgerufen, die nicht
-weißen
«Rassen» – auch gegen ihre Willen – an europäischen Entwicklungsstandards teilhaben zu lassen. Dem Kolonisierten wird attestiert, die «Quintessenz des Bösen»

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