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Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus

Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus

Titel: Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Arndt
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Aufstand niederschlugen. Toussaint wurde in eine Falle gelockt und starb im April 1803 in einem Kerker in den französischen Alpen.
    Die Nachricht von seiner Festnahme stachelte den Widerstand ebenso an wie die, dass die Sklaverei wieder eingeführt werde. Der Historiker Stefan Rinke schreibt, der französische Vernichtungszug gegen die Aufständischen habe «genozidale Züge» angenommen. Dennoch konnten letztlich unter Jean-Jacques Dessalines als Nachfolger Toussaints die französischen Truppen vertrieben werden, Napoleon gab seine Kolonialpläne in Nordamerika auf.
    Dessalines rief zum 1. Januar 1804 die Unabhängigkeit aus. Das erste und letzte Mal in der Weltgeschichte hatten Sklav_innen sich eigenhändig aus den Fesseln der Sklaverei befreit und eine eigene Republik gegründet, die noch längst nicht stabil war und weiteren stürmischen Zeiten entgegensah. Nichts sollte künftig mehr an Frankreich erinnern. Der neue Name «Haiti» war dem Taíno-Wort für Hochland entnommen. Aus der französischen Trikolore ist für die eigene Fahne das Weiß getilgt worden – wegen der «Hautfarbe» ihrer einstigen Peiniger.
    Erst infolge einer weiteren Revolution erklärte Frankreich am 4. März 1848 die endgültige Abschaffung der Sklaverei: Das betraf 262.564 Männer, Frauen und Kinder in den französischen Kolonien. Das französische Kolonialreich brach schließlich in den 1950/60er Jahren zusammen, nicht ohne dass sich Frankreich einige koloniale Territorien bis heute bewahrt hätte.
    Und Haiti? Der Aufstand und die Unabhängigkeit waren, wie der berühmte Historiker David Brion Davis jüngst festhielt, «ein Wendepunkt der Geschichte». Haiti wurde zum Sinnbild und Ausgangspunkt einer globalen Dekolonisationsbewegung, die nunmehr seit über 200 Jahren anhält. Die Last, die Haiti zu tragen hatte, war immens. Die USA erkannten das Land erst in den 1860er Jahren an, Frankreich «bereits» 1825 – allerdings unter der Bedingung, Haiti müsse als Entschädigung 150 Mio. Francs, später auf 90 Mio. gesenkt, erstatten. Bis 1947 – also 122 Jahre lang – musste Haiti zahlen. Damit war der Grundstein dafür gelegt, dass Haiti bis in unsere Tage zu einem der ärmsten Länder der Welt zählt – mit tödlichen Folgen für seine Bewohner_innen: «Nicht Erdbeben, sondern Gebäude töten Menschen», betonten im Januar 2010 britische Wissenschaftler_innen und Architekt_innen, als ein Großteil Haitis zerstört wurde. Und der Ökonom und einflussreiche New Yorker Journalist Tunku Varadarajan erklärte, Haiti könnte eine Chance haben, wenn Frankreich die umgerechnet 22 Milliarden US-Dollar an das Land zurückgäbe, die es von ihm unberechtigterweise bis 1947 eingestrichen hat.
    81. Begingen Deutsche in Namibia einen Völkermord?   Bei einem Völkermord werden Menschen mit dem Ziel ermordet, ihre Gesellschaft zu vernichten. Ein Synonym dafür ist Genozid. Der seit 1970 in Deutschland lebende Herero-Namibianer Israel Kaunatjike vomAktionsbündnis «Zeugen des deutschen Völkermords» hat die Bundesregierung wiederholt aufgefordert, «endlich den von der so genannten deutschen Schutztruppe zwischen 1904–1908 im heutigen Namibia begangenen Genozid einzugestehen». Im Anschluss an eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wurde am 22. März 2012 im Bundestag ein Antrag von SPD und Grünen beraten, den «Vernichtungskrieg in Namibia von 1904–1908» als «ein Kriegsverbrechen und Völkermord» anzuerkennen – nachdem es ihre eigene Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder und Außenminister Joschka Fischer strikt vermieden hatte, eben dies zu tun. Die Regierungskoalition lehnte ab.
    Eine staatsoffizielle Anerkennung des Genozids hätte, so seit Jahren die nichtoffizielle Argumentation, unkalkulierbare juristische und finanzielle Folgen. Hinzu kommt bei einigen das Unbehagen, dies könnte die Shoah relativieren. Offiziell wird argumentiert, so in einer Erklärung des Bundestagspressedienstes vom 8. Dezember 2011, dass die UN-Konvention über Verhütung und Bestrafung des Völkermordes aus dem Jahre 1948 für die Bundesrepublik erst 1955 in Kraft getreten sei. Deswegen könne sie historische Ereignisse «unter Anwendung völkerrechtlicher Bestimmungen, die im Zeitpunkt dieser Ereignisse für die Bundesrepublik Deutschland nicht in Kraft waren», nicht bewerten. Dieser Logik zufolge dürfte die Bundesregierung auch die Shoah nicht als Völkermord bezeichnen, was sie aber zum Glück bereits längst getan

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