Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus
dass diese Afrikaner_innen weder freiwillig die lange Reise von Westafrika angetreten hatten noch Berlin als freie Menschen betraten bzw. wieder verließen. Es waren versklavte Afrikaner_innen.
Deswegen begründete u.a. der Politologe Yonas Endrias 2004 die Initiative «Kolonialismus und Rassismus im öffentlichen Straßenbild», die eine Umbenennung dieser Straße fordert. Ein politisches Bündnis errang in Berlin-Kreuzberg tatsächlich einen Erfolg, wo das Gröbenufer (benannt nach dem ersten Brandenburgischen Kolonial-Gouverneur und Erbauer der Festung Groß Friedrichsburg an der westafrikanischen Küste) 2010 in May-Ayim-Ufer (eine namhafte afrodeutsche Dichterin und Aktivistin gegen Rassismus) umbenannt wurde. Andere Umbenennungsaktionen – wie etwa die Carl-Peters-Straße, die kurzerhand umgewidmet und einem anderen Carl Peters zugeschrieben wurde – tragen keine Früchte. Dazu zählt auch die Umbenennungsinitiative zur «M.straße».
Die zuständige Bezirksverordnetenversammlung Berlin-Mitte lehnte eine Umbenennung des rassistischen Straßennamens ab. Daraus ist eine Protestbewegung erwachsen, die heute von 20 Bürgerbewegungen getragen wird. Angesichts der Tatsache, dass die Namen der Menschen nicht überliefert sind, wird gefordert, die Straße nach einem Schwarzen Widerstandskämpfer gegen koloniale Herrschaft zu benennen.
Und was den U-Bahnhof angeht: Welchen Eindruck vermittelt Deutschlands Hauptstadt hier seinen Tourist_innen aus aller Welt und seinen Bürger_innen of Color? Besonders zynisch ist, dass man auf diesem Bahnhof aussteigen muss, wenn man zur
Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration
möchte. Sitz: Mohrenstraße 62. Einige Berliner_innen haben sich daher entschlossen, die M.straße in Möhrenstraße umzutaufen und setzen dem «o» regelmäßig eine Mütze auf.
86. Wer war Sojourner Truth? Sojourner Truth – den Namen gab sie sich später selbst – zählt in den USA zu den berühmtesten Persönlichkeiten der Geschichte. Nach ihr sind Institutionen benannt, Denkmäler sind ihr zu Ehren errichtet worden, noch zu Lebzeiten empfing Präsident Abraham Lincoln sie, ein Abschnitt des Highway M-66 trägt ihren Namen, 1986 kam eine Briefmarke mit ihrem Porträtheraus, ein Marsfahrzeug ist nach ihr benannt, sie ist in zwei Halls of Fame aufgenommen worden, es gibt viele Biographien über sie und sie ist die erste Schwarze Frau, deren Büste im US-Capitol aufgestellt wurde (2008). In der Bürgerrechtsbewegung zählt sie zu den Ikonen schlechthin. – In Deutschland ist sie praktisch unbekannt. In kaum einem Buch aus deutscher Feder zur Geschichte der USA wird sie auch nur erwähnt. Wer war diese Frau?
Sie wurde 1797 als Isabella in Hurley (New York) geboren. Zusammen mit ihren Eltern und ihren neun Geschwistern wurde sie als Sklavin gefangen gehalten. Als junges Mädchen wurde sie zwangsverheiratet. Da ihr einige Jahre später versprochen worden war, dass sie ihre Freiheit erhalten werde, was aber «ihr Besitzer» nicht einhielt, floh sie 1826 zu einem in der Nähe wohnenden Quäker, der wie die meisten in dieser Religionsgemeinschaft zu den US-Abolitionist_innen gehörte. Dieser kaufte sie frei und stellte sie zunächst als Hausangestellte an. Ab 1843 zog sie als Wanderpredigerin (daher ihr selbstgewählter Name) durchs Land. Sojourner Truth trat politisch auf, wandte sich gegen Sklaverei, trat für die Rechte aller Frauen sowie für das allgemeine Wahlrecht ein. 1850 veröffentlichte sie ihre Autobiographie, die sie landesweit bekannt machte. Bis zu ihrem Tod am 26. November 1883 setzte sie sich für die Rechte der Schwarzen und der Frauen ein. Dabei kritisierte sie auch
weiße
Frauen, die in ihrem Kampf zumeist die Schwarzen Frauen übergehen würden. Sojourner Truth war ungewöhnlich mutig, standhaft, rhetorisch glänzend und in ihrem landesweiten Wirken zu jener Zeit einzigartig.
Ihre wohl berühmteste Rede –
Ain’t I a Woman?
– hielt sie im Mai 1851 in Akron (Ohio) auf einem Konvent der Frauenrechtsbewegung. Daraus seien einige Sätze wiedergegeben: «Mir hilft nie jemand beim Einsteigen oder über Schlammpfützen und mir gibt man nie den besten Platz. Und bin ich etwa keine Frau? Schaut mich an! Schaut meine Arme an! Ich habe gepflügt und gepflanzt und die Ernte eingebracht und kein Mann konnte mir was vormachen! Und bin ich etwa keine Frau? Ich habe so viel arbeiten und so viel essen können wie ein Mann – wenn ich es kriegen konnte –
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