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Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus

Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus

Titel: Die 101 wichtigsten Fragen - Rassismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Arndt
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können einem einen Migrationshintergrund verpassen.
    Es mag sein, dass jemand gar nicht mehr weiß, wo seine Vorfahren genau herkamen, im Wort Migrationshintergrund werden sie dennoch in den Vordergrund gestellt. María do Mar Castro Varela und Paul Mecheril schreiben: «Die diskursiven und kulturellen Konsequenzen der vornehmlich auf Abwehr und Kontrolle abzielenden Politik des 20. Jahrhunderts sind Bestandteil auch heute noch bedeutsamer kultureller Praxen, in denen aus der Mehrheitsgesellschaft heraus als ‹Ausländer_innen›, ‹Migrant_innen›, ‹Menschen mit Migrationshintergrund› markierte Personen als ‹Fremde› und ‹eigentlich nicht Zugehörige› konstruiert und behandelt werden.»
    92. Wer war Anton Wilhelm Amo?   Er war ein Philosoph und Rechtswissenschaftler. Im Alter von fünf Jahren kam er nach Deutschland. Er war, wie sein Bruder, seinen Eltern in Westafrika (im heutigen Ghana) entrissen und dann versklavt worden. Während sein Bruder nach Surinam verkauft wurde, kam Amo 1705 als «Eigentum» der Niederländischen Westindien-Kompanie nach Europa. 1707 gelangte er in den «Besitz» des Herzogs von Braunschweig und wurde kurz darauf in Wolfenbüttel getauft. Dabei erhielt er je einen Vornamen des Herzogs Anton Ulrich und seines Sohnes Wilhelm August, seinen Nachnamen Amo hatte er mitgebracht, wobei unbekannt ist, ob dieser auf seine Eltern zurückgeht.
    Sich an Höfen mit Kindern zu schmücken und sie zu «Hofmohren» als Statussymbole auszubilden, war seit dem 16. Jahrhundert üblich. Selten war hingegen, dass diese Kinder nicht zu Kammerdienern gemacht wurden, sondern eine solide Ausbildung erhielten. Zar Peter I. hatte bereits zwei Jahre vor dem Herzog von Braunschweig von einem Botschafter einen Jungen namens Ibrahim Hannibal (1691–1781) «geschenkt» bekommen und ihm eine Schulbildung zuteilwerden lassen – beide Männer waren, wie Peter Martin vermutet, vermutlich von dem Wunsch getragen, herauszufinden, ob und in welchem Maße Schwarze intellektuell bildungsfähig seien. WährendIbrahim Hannibal zum Geheimschreiber und Offizier von Peter I. avanciert, durch diesen vermittelt eine Frau aus dem Hochadel heiratet und einen Enkel bekommt, den wir als Alexander Puschkin (1799–1837) kennen, geht auch Amo einen seinerzeit ungewöhnlichen Weg in Deutschland.
    Von 1717 bis 1721 besuchte er die Ritterakademie Wolfenbüttel, von 1721 bis 1727 studierte er an der Universität Helmstedt. Er war sprachbegabt und lernte zusätzlich zur deutschen Sprache Latein, Griechisch, Hebräisch, Französisch und Niederländisch. Am 9. Juni 1727 nahm er als erster und für über 220 Jahre zugleich letzter Mensch afrikanischer Herkunft das Studium der Philosophie und Rechtswissenschaft an der Universität Halle auf. Zwei Jahre später machte er mit seiner ersten Disputation auf sich aufmerksam. Sie trug den Titel
De iure Maurorum in Europa.
Aus dem Titel und dem, was überliefert ist, ist herzuleiten, dass er sich damit auseinandersetzte, wie Afrikaner_innen an europäischen Königs- und Kurfürstenhöfen gezwungen wurden, als Diener, Musiker oder in Leibgarden zu arbeiten und de facto und de jure rechtlos waren.
    Aufgrund von politischen Differenzen wechselte Amo 1730 an die Universität Wittenberg, wo er im Oktober 1730 einen Magister in der Philosophie und den Freien Künsten und 1734 einen Doktortitel für seine philosophische Dissertation über
De humanae mentis apatheia
(das Leib-Seele-Problem) erhielt. 1736 kehrte er an die Universität Halle zurück, wo er 1738 einen weiteren akademischen Grad erlangte; 1739 bewirbt er sich erfolgreich an der Universität Jena. Seine Arbeit als Philosoph und Dozent fügt sich in die philosophischen Debatten seiner Zeit ein, spezifische Auseinandersetzung mit der Sklaverei spart er hier ebenso aus wie in den Gedichten, die von ihm überliefert sind. Ein Vers von Epiktet, den er einem Freund schrieb, mag Auskunft über seine Überlebensphilosophie geben: «Wer sich dem Notwendigen anpassen kann, ist weise und göttlicher Dinge sich bewusst.»
    Bekannt ist, dass er nicht einfach Anton Wilhelm Amo genannt wurde, sondern stets der «M.» oder der Afrikaner. Als er offensichtlich, wie der Historiker Ulrich van der Heyden anmerkt, einer
weißen
Frau einen Heiratsantrag macht, wird er von dieser und anderen öffentlich gedemütigt und diskriminiert. Sie antwortet 1747: «Weil mich der schönste Mohr zur Liebe nicht bewegt,/Im Mohrenlande kann dein Stern ohn

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