Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Titel: Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Moehrs
Vom Netzwerk:
begnadete Flötenspieler und Weintrinker mit menschlichen Gesichtszügen und kräftigen Bocksbeinen. Die Venedigermännlein waren Bergarbeitertrolle aus der Toskana, sehr arbeitsam und sangesfreudig, aber auch stolz und rachsüchtig und prinzipiell sehr gerne im Streik.
    Wenn man die geistige Herausforderung suchte, ging man zu den Witschweinen. Das waren sehr schlanke, philosophisch talentierte Halbschweine mit einer ausgeprägten Neigung zur Askese - sie ernährten sich ausschließlich von Tee, Milchbrei und Diskussionen. Man traf zwei oder drei von ihnen in jedem Teehaus von Atlantis, und es war kinderleicht, sie in eine philosophische Debatte zu verwickeln. Ein Witschwein konnte einem den Stuhl unter dem Hintern wegdiskutieren und sich draufsetzen, wenn man nicht aufpaßte. Man brauchte nur eine haltlose Behauptung in den Raum zu werfen, und ein Witschwein behauptete das genaue Gegenteil. Man mußte allerdings die Grenzen kennen, ein Witschwein war immer dazu bereit, sich für seine eigene Meinung zu duellieren. Und sie waren erstaunlich flink mit dem Degen.

    Ab und zu wälzte sich eine von den farbenfrohen Midgardschlangen durch die Straßen, so groß und lang wie eine Lokomotive mit zehn Anhängern, aber harmlos wie ein Eichhörnchen. Hinter ihr her wuselten Scharen von Twerpen, die die Schleimspur der Schlange in Eimern aufsammelten, um daraus eine Suppe zu kochen, die angeblich unsterblich machte. (Was niemals nachgewiesen wurde, da die Twerpen sie ausschließlich selber aßen und sowieso mindestens tausend Jahre alt wurden.)
    Die Baalbeeker Würmchen waren gar keine, ich meine, sie waren keine Würmchen, nicht mal Würmer, sondern große pickelige Hünen mit Stierköpfen und drei muskulösen Armen. Keiner wußte, woher ihr Name stammte, denn sie hatten nicht die geringste Ähnlichkeit mit Würmern und stammten auch nicht aus Baalbeek, sondern von den Osterinseln. Sie hatten gute Manieren, aber eigentümliche Gewohnheiten, zum Beispiel gruben sie sich gerne bis zur Hüfte in lockerem Sandboden ein und murmelten dort unverständliche Gebete.
    Es ist unmöglich, alle Daseinsformen aufzuzählen, die Atlantis bevölkerten. Unter vielen anderen Gruppen und Stämmen waren da noch das dänische Dunenfolk, die Kleinen Halbgemachten Männer aus Neuseeland, die Eisfratten aus der Antarktis, die Bonsaimännchen aus Japan, die Mönchskälber, die Melusinen, die Ghorks, die Vergeßlichen Moosleute, die Neuntöter, die Galgenmännlein, die Elbentritsche, die Nornen, Lemuren, Hoawiefs, Rodensteiner, Rumpelstilzchen, Hacken, Hütchen, Hundsköpfe, Roggenmuhmen, Atzmänner, Paradeiswürmer, Buzen, Wolterken, Ätherriesen, Halbmumien, Pretzen, Voltigorken, Zimtmänner, Halmfrauen, Windschnepfen, Kalbslemuren, Gurkenmichel, Zantalfigoren, Wasserdschinns, Pygmäenschatten, Haluhatzen, Sumpforken, Schneehutzen, Waldwichtel, Torfhexen und eine ganze Armee von kaum noch klassifizierbaren Minigrüppchen und Einzelgängern aller Art. Sogar Bolloggs waren in Atlantis zugelassen, allerdings nur unter fünfzehn Metern und mit Kopf.
    Ein blauer Bär fiel hier gar nicht weiter auf.
    Ach ja, der Vollständigkeit halber: Schließlich gab es auch noch die sogenannten Unsichtbaren Leute, Außenseiter der Gesellschaft, radikale Aussteiger, die sich in die stillgelegte antike Kanalisation von Atlantis zurückgezogen hatten.
    Niemals ließen sie sich bei Tag in den Straßen blicken, nur nachts (und selbst dann nur sehr selten) krochen sie aus ihren Schächten an die frische Luft und wickelten die wenigen wirklich nötigen Geschäfte ab, die sie dazu zwangen, mit der Oberwelt den Kontakt aufrechtzuerhalten. Es ging sogar das Gerücht, daß die, die noch an die Oberfläche kamen, gar nicht die wirklichen Unsichtbaren Leute waren, sondern deren Zwischenhändler und Helfershelfer. Die echten Unsichtbaren Leute waren angeblich tatsächlich unsichtbar und nicht von dieser Welt. So jedenfalls erzählten es Eltern ihren ungehorsamen Kindern, nicht ohne die Drohung hinzuzufügen, daß die Unsichtbaren Leute gerne aufmüpfiges Kindervolk in ihre Katakomben verschleppen. Die Leute unter den Straßen waren so etwas wie die Heiligen Kühe von Atlantis. Sie taten nichts für den Allgemeinnutzen, aber die Bewohner der Stadt bewahrten einen natürlichen Respekt vor ihnen, teils aus Angst, teils aus Aberglauben; aber auf jeden Fall war es unabänderliches Brauchtum in Atlantis, überflüssige Lebensmittel, Dinge, die man nicht mehr brauchte, oder sonstige

Weitere Kostenlose Bücher