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Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Titel: Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Moehrs
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Bist Bär! Bist selten! Ga?« So lief er hinter mir her und versuchte mich zu den verschiedensten Geschäften zu bequatschen.
    »Du stellst dich einfach an die Straße! Du singst, ich geh' mit Hut!«
    »Ich kann nicht singen.«
    »Wir verkaufen dich an den Zoo! Abends komme ich mit Nachschlüssel und hol' dich wieder raus.«
    »Ich will nicht in den Zoo!«
    Wenigstens kannte Chemluth Havanna einen sicheren Platz zum Schlafen. Wir wanderten mindestens zwei Stunden, und je weiter wir kamen, desto kurioser wurde die Umgebung.
    Zunächst liefen wir lange durch enge, von Wäscheleinen überspannte Gassen mit grobem Kopfsteinpflaster, dann wurden die Häuser seltener und wichen nach und nach verfallenen Palästen, säulengestützten Tempeln, die von Dickicht und Kletterpflanzen überwachsen waren, und steinernen Monumenten, von zahlreichen Rissen durchzogen und oft zu großen Teilen eingefallen. Hier wohnte offensichtlich niemand außer wilden Katzen, die uns aufdringlich um die Beine strichen.

    Ein blauer Blitz zuckte aus dem Kopfsteinpflaster, schlug einen meterlangen elektrischen Bogen und verschwand wieder in einer Straßenritze. Für eine Sekunde war die Gasse in hellblaues Licht getaucht.
    Ich erschrak und sprang mindestens eine Körperlänge zurück.
    »Ist blauer Blitz«, winkte Chemluth ab, »ist harmlos.«

    Aus dem
»Lexikon der erklärungsbedürftigen Wunder,
Daseinsformen und Phänomene Zamoniens
und Umgebung«
von Prof. Dr. Abdul Nachtigaller
    Blitz, blauer, der: Naturphänomen, das schon seit mehreren Jahrhunderten ausschließlich in der Stadt Atlantis beobachtet wird. Elektrische blaugefärbte Entladungen meist bogenförmiger Gestalt schießen vorwiegend nachts aus dem Boden. Eine zureichende wissenschaftliche Erklärung wurde bislang nicht gefunden, aber man hat zumindest festgestellt, daß die Blitze keine gesundheitsbedrohende Wirkung haben, außer eventuell Tod durch Erschrecken.
    Wir überquerten einen breiten offenen Platz, in dessen Mitte aus einem ausgetrockneten Brunnen ein schwarzer Obelisk gut zwanzig Meter in die Höhe ragte. Mehrere Dutzend Katzen lagen schnurrend auf dem Brunnenboden und leckten ihre Tatzen. Hinter dem Obelisk stand der größte Dom, den ich bis dahin in Atlantis gesehen hatte. Er war aus weißem Marmor und von einer grünen Steinkuppel überdacht, die allerdings zu gut einem Drittel eingestürzt war. »Unser Schlafzimmer«, grinste Chemluth.
    Eine Treppe , so breit wie eine der Hauptstraßen von Atlantis führte zum Eingang hinauf, der von zwei hausgroßen steinernen Zyklopen bewacht wurde. Die Tür, oder besser: das Tor war offen: Ein Flügel, so groß wie der Rumpf eines Dreimasters, lag, aus den Angeln gebrochen, im Inneren des Doms, wohl schon seit langer Zeit, denn aus seinen Fugen wuchsen Grasbüschel, Disteln, Brennesseln und kleine Bäume.
    Als wir über sie hinweg in die Ruine stiegen, flatterten Schwärme von Tauben hoch. Braune, schmale Schatten huschten in die dunkleren Teile des Gebäudes.
    Wir stiegen eine weitere große Treppe zu einer Empore hinauf. Das Innere des Doms machte einen sinnlos verbauten Eindruck, wahrscheinlich eine Folge des Verfalls. Treppen führten ins Nichts, halbe Brückenbögen ragten nutzlos in den Raum, eingestürzte Säulenbrocken und geborstene Teile der Kuppel, durch Unkraut mit dem Boden verwachsen, versperrten den Weg.
    Durch das eingefallene Dach fielen schräg die letzten Sonnenstrahlen des Tages und beleuchteten dramatisch die kopf- und armlosen Statuen in den Domnischen. An einer Stelle war ein riesiges Halbrelief aus einer roten Marmorwand gemeißelt, die ein Skelett, gehüllt in eine Robe, mit einer Sense bei der Arbeit darstellte.
    Dieser Dom gefiel mir nicht. Aber es wurde gerade Nacht, und ich hatte keinen Anlaß, wählerisch zu sein.
    »Hier gibt es wenigstens keine Kakertratten, ga?« bemerkte Chemluth, als wir uns aus großen Moosflecken ein Nachtlager bauten.
    »Kakertratten? Was sind Kakertratten?«
    »Ga. Was sind Kakertratten. Ist schwer zu sagen. Wer weiß das schon ...?«

    Aus dem
»Lexikon der erklärungsbedürftigen Wunder,
Daseinsformen und Phänomene Zamoniens
und Umgebung«
von Prof. Dr. Abdul Nachtigaller
    Kakertratten, die: Unpopuläre Tiermutation, die aus Tauben, Ratten und Kakerlaken entstanden ist. Kakertratten sind etwa einen Meter fünfzig große Kanalratten mit Taubenflügeln, vogelähnlichen Schnäbeln und den Beinen, Fühlern und Verdauungsorganen von Kakerlaken. An das Erbe der Ratten erinnert

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