Die 13. Stunde
Marcus schon einmal gesagt. Genau das hatte Nick in Erinnerung.
»Trotz allem ist er der beste Strafverteidiger von ganz New York«, fuhr Marcus fort. »Man braucht jemanden wie ihn, der den ganzen Mist durchschaut und an den Haaren herbeigezogene Anschuldigungen abschmettert.«
Nick erinnerte sich auch, dass Mitch nicht auf dem Polizeirevier erschienen war.
»Sein Problem ist allerdings, dass er nicht der Pünktlichste ist. Ich sollte ihn dir rüberschicken. Nicht dass es irgendein Problem geben wird, aber man sollte nie ohne Anwalt mit Bullen reden, die gerade ihren Privatschulabschluss geschafft haben und deren Horizont nicht über einen Bierabend bei American Idol hinausgeht.«
Marcus ging zu seinem großen Schreibtisch mit ledernem Bezug und nahm das Telefon ab.
Während Nick beobachtete, wie Marcus wählte, fragte er sich, ob er dem Freund von seinem kleinen Nervenzusammenbruch erzählen sollte.
»Ehe du diesen Anruf machst …«, begann Nick.
Marcus hielt inne.
»Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll.« Wieder stockte Nick. »Ich … Ich muss herausfinden, wer es getan hat.«
Marcus legte den Hörer auf, kam um den Schreibtisch herum und lehnte sich dagegen. »Die Polizei macht das schon. Und dann wird der Dreckskerl zur Verantwortung gezogen.«
»Nein. Ich muss ihn daran hindern.«
»Woran hindern?«, fragte Marcus verwirrt.
»Ich muss ihn finden.«
Marcus starrte ihn an, suchte nach Worten. »Das sollen die Bullen tun. Wer immer es getan hat, ist verdammt gefährlich.«
»Julia ist nicht tot«, stieß Nick hervor.
Marcus räusperte sich. »Ich kann mit Worten nicht ausdrücken, wie leid es mir tut, Nick. Julia war … perfekt. Wirklich, wenn dieses Wort jemals eine Bedeutung hatte, dann bei ihr.«
Nick stellte das Scotchglas auf den Beistelltisch und fuhr sich mit den Händen langsam übers Gesicht. Er versuchte sich zu konzentrieren und fragte sich dabei, ob er am Rande eines psychotischen Abgrunds stand und zum nächsten Schritt ansetzte.
»Ich kann Julia retten«, sagte er schließlich.
Marcus saß geduldig da und beobachtete hilflos den geistigen Zusammenbruch seines besten Freundes.
»Ich kann es nicht erklären, Marcus. Ich weiß nicht wie, aber ich kann sie retten.«
Marcus’ Blick blieb auf Nick gerichtet. In seinen Augen stand Schmerz, doch sosehr er es auch versuchte – er konnte sich die Tiefe der Liebe, die Nick und Julia füreinander empfunden hatten, nicht einmal vorstellen. Bei einer solchen Liebe musste der Schmerz des Verlusts so groß sein, dass man den Blick für die Realität verlor.
»Was, wenn ich sagen würde, dass ich die Zukunft vorhersagen kann?«, fragte Nick.
»Ob die Yankees dieses Jahr den Titel holen? So was in der Art?« Marcus wusste nicht, worauf Nick hinauswollte.
Nick blickte in den Kamin und überlegte, wie er fortfahren sollte.
»Tut mir leid«, sagte Marcus. »Ich wollte nicht …«
»Schon gut.« Nick wandte sich dem Freund zu und schaute ihn ernst an. »Es klingt verrückt, aber hör mich an. Nicht mehr lange, und sie werden mich verhaften, aufs Revier schaffen und mich bearbeiten, damit ich etwas gestehe, was ich nicht getan habe. Und sie werden mir einen Revolver zeigen, den ich nie zuvor gesehen hatte.«
In Marcus’ Gesicht zuckte es nervös.
»Ich habe Julia nicht erschossen, Marcus. Ich liebe sie mehr als mein Leben. Ich brauche sie wie die Luft zum Atmen. Ich würde alles geben, um jetzt mit ihr tauschen zu können. Ich würde mein Leben für sie geben.«
»Ich weiß«, erwiderte Marcus. »Aber du bist durcheinander … das ist nur zu verständlich.« Er wandte sich um und nahm den Hörer ab. »Ich rufe jetzt Mitch an. Du solltest mit ihm reden.«
»Er wird nicht rechtzeitig hier sein.«
»Rechtzeitig wofür?«
»Sie werden mich verhaften, und zwar in …« Nick holte die goldene Uhr aus der Tasche und klappte den Deckel auf. »In dreizehn Minuten.« Nick schloss die Taschenuhr und steckte sie wieder weg.
»Das ist doch Unsinn!« Marcus schüttelte den Kopf.
»Shannon und Dance.«
»Wie bitte?«
»So heißen die beiden Detectives, die zurzeit in meinem Haus sind. Sie werden die Verhaftung vornehmen.«
Marcus hatte die beiden Männer begrüßt, als sie vor dem Haus vorgefahren waren, hatte sich vorgestellt und sie zu Julias Leiche geführt. Die Detectives hatten ihm gesagt, dass es das Beste wäre, wenn er bei sich zu Hause bliebe, bis sie fertig wären. Dann hatten sie nach Nick gefragt und erklärt, sie müssten ihn
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