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Die 13. Stunde

Titel: Die 13. Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
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sprechen, nachdem sie sich den Tatort angeschaut hätten. Dabei hatten sie Marcus ihre Namen genannt: Shannon und Dance.
    »Du kennst sie?«, fragte Marcus verdutzt.
    »Ich habe sie nie gesehen … besser gesagt, ich werde sie nie gesehen haben, bis sie hierherkommen und mir Handschellen anlegen.«
    Marcus starrte ihn an. »Willst du mir sagen, du weißt, was passieren wird?«
    »Ja«, antwortete Nick.
    »Okay.« Marcus legte das Telefon weg und setzte sich in den Ledersessel neben Nick. Das Mitgefühl in seinen Augen war zehnmal stärker geworden. »Aber du wirst mir bestimmt nicht sagen können, wie die Männer angezogen sind, oder?«
    »Dance trägt einen billigen blauen Blazer«, sagte Nick wie aus der Pistole geschossen. »Weißes Hemd, gelbbraune, zerknitterte Hose. Shannon ist ein Arschloch mit Anabolikaarmen, die beinahe sein schwarzes Hemd in Damengröße sprengen. Dazu trägt er eine ausgeblichene Jeans.«
    Marcus legte den Kopf schief und holte tief Luft, als er zu verdauen versuchte, was Nick gesagt hatte. Er stand vom Stuhl auf, ging ans Fenster und blickte zwischen den Leisten der Holzläden zu Nicks Haus hinüber. Er hatte ungehinderte Sicht auf die Zufahrt, wo die Detectives ihre Wagen abgestellt hatten. Nick hätte ihre Ankunft beobachtet haben können, doch Marcus wollte seinem Freund in dessen derzeitigem Zustand nicht widersprechen.
    »Hör zu«, sagte Nick, der Marcus’ Zweifel zu spüren schien. »Ich bin nicht verrückt. Die Yankees …«
    »Wieso redest du jetzt über die Yankees?« Marcus runzelte die Stirn.
    »Weil sie das Spiel, das gerade läuft, in der zweiten Hälfte gewinnen werden …« Nicks Stimme versiegte, als ihm klar wurde, wie albern er sich anhörte. Niedergeschlagen senkte er den Kopf.
    Beide wussten eine Zeitlang nicht, was sie sagen sollten.
    Dann blickte Nick auf, als wäre ihm eine Erkenntnis gekommen. »Sein Ringfinger … Dances rechter Ringfinger fehlt ab dem zweiten Knöchel.«
    Marcus schwieg.
    »Du weißt, dass ich das auf keinen Fall durchs Fenster erkennen konnte«, sagte Nick, um die Zweifel seines Freundes zu zerstreuen. »Und frag ihn, wie es ihm an der Küste von Jersey gefallen hat.«
     
Marcus verließ sein Haus durch die Seitentür und trat hinaus in die Spätsommersonne. Das Schicksal von Julia und Nick brach ihm beinahe das Herz. Julia hatte ihm näher gestanden als irgendjemand sonst in seinem Leben. Sie wusste, wie es in ihm aussah, und sie hatte ihm immer wieder geholfen, mit sich ins Reine zu kommen; sie wusste, dass er zu vorschnellen Schlüssen neigte; sie kannte seine Fehler und Schwächen und hatte ihn kein einziges Mal abgewiesen.
    Zwischen Julia und Nick bestand eine tiefe Bindung – eine Liebe, wie Marcus sie nie erlebt hatte. Sie waren wie eine Person. Julia und Nick, Nick und Julia … nur selten sprachen die Leute im Singular von ihnen.
     Julia tot am Boden liegen zu sehen, brutal ermordet und grässlich verunstaltet, war ein Angriff auf alle Vernunft. Wer konnte eine solche Tat begehen? Wer konnte eine Unschuldige so bestialisch töten? Wer konnte einem Ehemann das Liebste auf Erden nehmen und ihm den Lebenswillen rauben? Nick hatte sich ins Leugnen der Wahrheit zurückgezogen und fantasierte davon, die Vergangenheit zu ändern und Julia zu retten. Es waren die Wahnvorstellungen eines aus dem Gleichgewicht geratenen Verstandes.
    Marcus war in seiner Garage gewesen und hatte in eine Akte geblickt, die im Kofferraum seines Wagens lag, als er den Schuss hörte. Die Schussdetonation ließ ihm einen eisigen Schauer über den Rücken laufen, denn das Geräusch war aus dem Haus der Quinns gekommen. So schnell er konnte, rannte Marcus los, stürmte durch die offene Garagentür zur Flurtür. Und dort sah er Julia verrenkt auf der hinteren Treppe liegen … ein albtraumhafter Anblick, denn ihr fehlte das halbe Gesicht. Marcus musste all seine Kraft aufbieten, um seinen Magen unter Kontrolle zu halten, während Schock und Bestürzung ihn überfielen. Als er sich endlich Julias Leiche genähert hatte, hatte er Nick neben der Toten auf dem Boden sitzen und ihre Hand streicheln sehen wie ein Kind, das die schreckliche Wirklichkeit des Todes nicht begreifen kann.
    Marcus überquerte den weiten Rasen seines Hauses, als er nun zu Nick hinüberging. Diesmal gab es keinen Grund zur Eile. Nichts würde Julia zurückbringen.
    Der Kastenwagen des Leichenbeschauers und zwei zivile Polizeifahrzeuge, ein Taurus und ein Mustang, standen in der Zufahrt.

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