Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
gemacht.« Er bohrte mit dem Finger in der Nase. »Ja. Arbeit getan.« Er schickte sich an zu gehen.
»Dick«, sagte ich, und als er stirnrunzelnd stehen blieb, fragte ich: »Schlagen die anderen Diener Dick immer noch und nehmen ihm seine Münzen? Oder ist es jetzt besser geworden?«
Er funkelte mich an. »Die anderen Diener?« Er wirkte ein wenig besorgt.
»Die anderen Diener. Sie haben ›Dick geschlagen und seine Münzen genommen‹, erinnerst du dich?« Ich versuchte, seinen Akzent und seine Gesten nachzuahmen; doch anstatt das sein Gedächtnis auffrischte, wich er panisch vor mir zurück. »Vergiss es«, sagte ich rasch. Mein Versuch, ihn daran zu erinnern, dass er mir wahrscheinlich einen Gefallen schuldete, hatte seine Meinung von mir offenbar nur noch verschlimmert. Er schob die Unterlippe nach vorne und zog sich noch weiter von mir zurück.
»Dick. Vergiss das Tablett nicht«, erinnerte ihn Chade sanft.
Der Diener verzog das Gesicht, kehrte aber zurück, um das Tablett zu holen, auf dem der Rest von Chades Frühstück stand. Dann huschte er rasch aus dem Raum, als könne ich ihn angreifen.
Als das Weinregal hinter ihm wieder auf seinen Platz glitt, setzte ich mich auf meinen Stuhl. »Und?«, fragte ich Chade.
»Wolltest du es mir irgendwann sagen?«, fragte er gut gelaunt.
»Nein.« Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück und kam zu dem Schluss, dass es nichts mehr dazu zu sagen gab. Stattdessen versuchte ich es mit einer Ablenkung. »Vorhin habe ich dir gesagt, dass Pflichtgetreu etwas Dringendes mit dir besprechen will. Du solltest dich zu seiner Verfügung halten.«
»Um was geht es?«
Ich blickte ihn an. »Ich denke, das sollte er dir lieber selber sagen.« Ich biss mir auf die Zunge, bevor ich hinzufügen konnte: »Natürlich könntest du jederzeit ja auch Dick fragen, worum es geht.«
»Dann werde ich in meine Gemächer gehen. Gleich, Fitz. Schwebt Nessel in irgendeiner Gefahr?«
»Ich bin sicher, dass ich das nicht weiß.«
Ich sah, wie er sich beherrschen musste. »Du weißt, was ich meine. Sie gebraucht die Gabe, nicht wahr? Und das ohne jede Führung. Trotzdem scheint sie dich gefunden zu haben. Oder hast du den Kontakt initiiert?«
Hatte ich das? Ich wusste es nicht. War ich in ihre Träume eingedrungen, als sie noch jünger war, so wie ich es bei Pflichtgetreu getan hatte? Hatte ich unwissentlich den Grundstein für die Gabenverbindung gelegt, die sie nun aufzubauen versuchte? Ich dachte darüber nach, doch Chade verstand mein Schweigen als Sturheit. »Fitz, wie kannst du nur so kurzsichtig sein? Mit dem Versuch, sie zu beschützen, bringst du sie in Gefahr. Nessel sollte hier in Bocksburg sein, wo man sie lehren kann, mit ihren Fähigkeiten umzugehen.«
»Und wo man sie in den Dienst der Weitseher stellen kann.«
Er blickte mir in die Augen. »Natürlich. Falls Magie das Geschenk ihres Blutes ist, dann ist der Dienst ihre Pflicht. Die beiden gehen Hand in Hand. Oder willst du ihr das verweigern, weil sie auch ein Bastard ist?«
Ich unterdrückte eine plötzlich aufkeimende Wut. Als ich wieder sprechen konnte, sagte ich leise: »So sehe ich das nicht. Als würde ich ihr etwas verweigern. Ich versuche in der Tat, sie zu beschützen.«
»Du siehst es nur so, weil du stur darauf fixiert bist, sie um jeden Preis von Bocksburg fernzuhalten. Welch schreckliche Gefahr droht ihr denn, wenn sie hierher kommt? Dass sie Musik, Poesie, Tanz und Schönheit in ihr Leben lassen könnte? Dass sie einen jungen Mann von edlem Blut kennen lernen, ihn vielleicht sogar heiraten und fortan glücklich und zufrieden leben könnte? Dass deine Enkelkinder aufwachsen könnten, wo du sie sehen kannst?«
Er ließ das alles so vernünftig klingen und stellte mich als selbstsüchtig hin. Ich atmete tief durch. »Chade. Burrich hat seiner Tochter bereits verboten, nach Bocksburg zu gehen. Wenn du ihn unter Druck setzt oder gar zwingst, wird er einen Grund dahinter vermuten. Wie willst du Nessel klar machen, dass sie die Gabe besitzt, und sie gleichzeitig davon abhalten zu fragen, woher sie das hat? Sie weiß, dass Molly ihre Mutter ist. Damit steht dann nur ihr Vater in Frage …«
»Manchmal werden Kinder mit der Gabe gefunden, Kinder ohne offensichtliche Verbindung zur Blutlinie der Weitseher. Sie könnte sie von Molly oder Burrich geerbt haben.«
»Aber keiner ihrer Brüder hat sie«, argumentierte ich.
Chade schlug frustriert mit der Hand auf den Tisch. »Ich habe es dir schon Mal gesagt. Du bist zu
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