Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
Wirst du mich dann begleiten?«
Ich zögerte, dann schlug ich vor: »Lad Fürst Leuenfarb ein. Das soll jetzt kein Versprechen sein, aber ich werde darüber nachdenken.«
»Und du würdest tun, was Chade für das Beste hält.«
»Vermutlich. Er war bei diesen höfischen Feinheiten schon immer besser als ich.«
»Höfische Feinheiten. Pah. Ich bin sie sowas von leid, Tom. Deshalb fällt es mir auch soviel leichter, mit Lady Vance zusammen zu sein. Sie ist einfach sie selbst.«
»Ich verstehe«, sagte ich, doch ein Urteil wollte ich mir noch weiter vorbehalten. Ich fragte mich, ob Lady Vance einfach nur eine Frau war, die es auf den Prinzen abgesehen hatte, oder ob es sich bei ihr um die Marionette von jemandem handelte, der das Spiel der Königin zunichte machen wollte. Nun. Das würden wir bald genug herausfinden.
Der Prinz verließ mich und verschloss die Tür hinter sich. Schweigend stand ich im Turmzimmer und lauschte auf Pflichtgetreus Schritte, die langsam verhallten. Schließlich hörte ich die Stimme der Wache am Fuß der Treppe den Prinzen begrüßen. Ich schaute mich im Zimmer um, löschte die Kerze auf dem Tisch, und ging dann ebenfalls. Eine Talgkerze erhellte mir den Weg.
Auf dem Weg zurück zu meiner Dienerkammer legte ich einen Zwischenstop in Chades Turmzimmer ein. Ich trat aus der Geheimtür und blieb dann stehen; es überraschte mich, sowohl Chade als auch Dick im Zimmer zu sehen. Chade hatte offensichtlich auf mich gewartet. Dick wirkte verschlafen.
»Guten Morgen«, begrüßte ich die beiden.
»Ja, es ist ein guter Morgen«, antwortete Chade. Seine Augen leuchteten, und er schien sich über irgendwas zu freuen. Ich wartete darauf, dass er es mir verriet, doch stattdessen sagte er: »Ich habe Dick gebeten, heute Morgen recht früh hier zu sein, damit wir miteinander reden können.«
»Oh.« Mehr fiel mir nicht ein. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um Chade zu sagen, dass er mich vorher hätte warnen sollen. Ich würde nicht über Dicks Kopf hinwegreden, wenn er dabei war. Ich erinnerte mich noch viel zu gut an die Hinterlist eines jungen Mädchens, in dessen Gegenwart wir zu freimütig gesprochen hatten. Rosmarin war Edels verräterisches Püppchen gewesen. Zwar bezweifelte ich, dass Dick irgendjemandem als Spion diente, aber was ich in seiner Gegenwart nicht sagte, konnte er auch nicht wiederholen.
»Wie geht es dem Prinzen heute?«, fragte mich Chade plötzlich.
»Es geht ihm gut«, antwortete ich zurückhaltend. »Aber da ist etwas, weswegen er dich sehen will, etwas Dringendes. Du solltest dich vielleicht dort aufhalten, wo … hm … wo man dich leicht finden kann. Bald.«
»Prinz traurig«, bestätigte Dick träge. Mitfühlend schüttelte er den schweren Kopf.
Mich verließ der Mut, aber ich beschloss, ihn auf die Probe zu stellen. »Nein, Dick, der Prinz ist nicht traurig. Er ist fröhlich. Er wird gleich mit all seinen Freunden schön frühstücken.«
Dick blickte mich finster an. Einen Augenblick lang ragte seine Zunge weiter heraus als üblich, und seine Unterlippe hing herab. Dann sagte er: »Nein. Der Prinz ist heute ein trauriges Lied. Dumme Mädchen. Ein trauriges Lied. La-la-la-le-lo-lo-lo-o.« Der Schwachkopf stimmte einen Klagegesang an.
Ich blickte zu Chade. Aufmerksam beobachtete er unser Gespräch. Dann fragte er Dick: »Wie geht es Nessel?«
Ich bewahrte einen teilnahmslosen Gesichtsausdruck und bemühte mich, normal zu atmen, doch plötzlich wusste ich nicht mehr, wie das ging.
»Nessel macht sich Sorgen. Der Traummann will nicht mehr mit ihr sprechen, und ihr Vater und ihr Bruder streiten sich. Jah, jah, jah, jah, ihr Kopf schmerzt davon, und ihr Lied ist traurig. Na-na-na-nana, na-na-na-na.« Für Nessels Traurigkeit hatte er eine andere Melodie, eine voller Spannung und Unruhe. Dann hielt Dick plötzlich mitten im Lied inne. Er schaute mich an und höhnte triumphierend: »Stinkehund gefällt das nicht.«
»Nein. Das gefällt ihm nicht«, bestätigte ich ihm schlicht. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und ließ meinen Blick von Dick zu Chade wandern. »Das ist nicht fair«, sagte ich und biss die Zähne zusammen, als ich erkannte, wie kindisch das klang.
»Ja, das ist es nicht«, stimmte mir Chade zu und drehte sich zu Dick um. »Dick, wenn du willst, kannst du jetzt gehen. Ich denke, du hast deine Arbeit hier getan.«
Nachdenklich schürzte Dick die Lippen. »Holz geholt. Wasser gebracht. Geschirr weggeräumt. Essen geholt. Kerzen neu
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