Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
gewinnen konnte. Die Bindung, die ich schmieden wollte, sollte nämlich zwischen diesen beiden entstehen. Plötzlich teilte ich Chades Überzeugung, dass der Prinz eine Kordiale benötigte. Es könnte eine Zeit kommen, in der ›ihr seht ihn nicht, ihr seht ihn nicht‹ ihn vor einem Strick um seinen Hals bewahren konnte.
Wir trennten uns und wandten uns unseren unterschiedlichen Aufgaben zu. Ich eilte durch das Labyrinth zu meiner Kammer. Von dort aus ging ich geradewegs durch die Gemächer des Narren, ohne auch nur nachzusehen, ob er wach war. Ein paar Augenblicke später stieg ich dann die Treppen zu jenem Teil der Burg hinauf, wo der Oberste Ratgeber der Königin seine Privatgemächer hatte. Ich wünschte, ich hätte ihn auf unauffälligere Art kontaktieren können, aber ich beschloss, schlicht zu lügen, sollte jemand mich anhalten, und zu erklären, dass ich Chade eine Botschaft von Fürst Leuenfarb überbringen wolle.
Obwohl bereits so viel geschehen war, war es noch immer früh am Morgen. Bei den meisten Leuten, die sich leise durch die Burg bewegten, handelte es sich um Diener, die sich darum kümmerten, dass ihre Herren einen unbeschwerten Morgen erleben konnten. Einige trugen Eimer mit Waschwasser, andere Tabletts mit Frühstück. Eine Heilerin eilte mit langen Schritten und Mull und Salbentöpfen in der Hand an mir vorbei. Die kleine Frau keuchte, und ihre Wangen waren hochrot, als wäre Schnelligkeit von allergrößter Bedeutung. Ich nahm an, dass sie vielleicht zu Chades Gemächern unterwegs war, um seine Verbrennungen zu behandeln. Als sie plötzlich vor mir stehen blieb, wäre ich fast über sie gestolpert. Ich stützte mich an der Wand ab, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, und entschuldigte mich dann.
»Nicht nötig, nicht nötig. Mach einfach die Tür für mich auf, bitte.«
Das war nicht Chades Tür. Ich hatte schon vor langer Zeit nachgesehen, wo genau sich seine Gemächer befanden. Meine Neugier war jedoch geweckt, und so sagte ich ernst, als ich die Hand an die Tür legte: »Ich hoffe Lady Sittsam ist nicht allzu schwer verletzt. Ihr habt viel dabei.«
Die Heilerin schüttelte Verärgert den Kopf. »Das ist nicht Lady Sittsams Gemach. Lady Rosmarin ist die, die meiner Dienste bedarf. Eine Rußwolke aus dem Kamin hat sich vergangene Nacht mitten in ihrem Gesicht entzündet, das arme Ding. Beide Hände sind verbrannt wie auch ihr wunderschönes Haar. Öffne die Tür, Mann.«
Mit weit aufgerissenen Augen kam ich ihrem Wunsch nach und warf verstohlen einen Blick hinein. Lady Rosmarins Wangen und Stirn waren genauso rot wie Chades gewesen waren. Sie trug ein gelbes Wickelkleid und saß auf einem Stuhl am Fenster, während eine Zofe die versengten Spitzen ihrer Haare schnitt. Sie hielt die Hände vor sich. Offensichtlich schmerzten sie sie, und sie waren in feuchte Tücher gehüllt. Dann schloss sich die Tür wieder, und für mich gab es nichts mehr zu sehen.
Ich schwankte leicht, während ich Eins und Eins zusammenzählte. Ich hatte heute Morgen ein Geheimnis zuviel enthüllt. Lady Rosmarin war Chades neuer Lehrling. Nun … Warum auch nicht? Edel hatte die kleine Rosmarin schon vor Jahren in den Grundlagen der Assassinenkunst unterrichtet. Warum einen ausgebildeten Spion dafür verschwenden? Irgendwie machte mich das nüchterne Denken traurig, das dahinter stand. Doch ich hatte mehr als einen Weitseher sagen hören: Die Waffe, die du heute wegwirfst, kann schon morgen gegen dich gerichtet werden. Besser Lady Rosmarin fest in der Hand zu behalten, als dass irgendjemand sie morgen gegen uns benutzen könnte.
Langsam ging ich zu Chades Räumen weiter. Was ich gerade herausgefunden hatte, machte meine gegenwärtige Aufgabe nicht weniger dringend, aber ich hatte das Gefühl, als hätte ich einfach viel zu viele Gedanken im Kopf, um auch nur einem davon folgen zu können. Ich klopfte an, und ein Junge von ungefähr zehn Jahren öffnete mir die Tür. Ich sprach mit lauter, jovialer Stimme. »Guten Morgen, junger Mann! Ich bin Tom Dachsenbless, Diener von Fürst Leuenfarb, und ich habe eine Nachricht für Ratgeber Chade.«
Der Junge blinzelte zu mir hinauf. Er war noch nicht lange wach. »Mein Herr fühlt sich heute nicht gut«, sagte er schließlich. »Er wird niemanden empfangen.«
Ich lächelte ihn freundlich an. »Oh, ich muss ihn nicht sehen, junger Mann. Er muss mich nur hören, damit ich ihm die Nachricht weitergeben kann. Darf ich auch nicht mit ihm sprechen?«
»Ich fürchte nein.
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