Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
Herren. Ich seufzte, setzte mich auf den Stuhl und starrte ins Feuer. Was sollte ich tun?
Ich wünschte, ich hätte Dick dazu bewegen können, mir zu sagen, wo Lutwin sich aufhielt, oder zumindest wer ihn immer zum Führer der Gescheckten brachte. Erzwingen konnte ich das allerdings nicht von ihm, wenn ich ihn nicht verängstigen und das zerbrechliche Vertrauen wieder zerschlagen wollte, das wir heute aufgebaut hatten. Aber wenn ich ihm folgen würde, wenn er sich mit Lutwin traf … was dann? Sollte ich reinstürmen, mich Lutwin verraten, oder sollte ich Lutwin gestatten, den kleinen Mann wieder zu befragen und so noch mehr über uns in Erfahrung zu bringen? Ich dachte darüber nach, Dick zu beobachten, bis der Bocksburg-Mann kam, um ihn in die Stadt runter zu bringen, und mir dann diesen Verbindungsmann zu schnappen. Wahrscheinlich würde ich Lutwins Aufenthaltsort aus ihm herauspressen können, doch wenn er nicht zu der Verabredung erschien, würde der Gescheckte vermutlich Verdacht schöpfen. Ich wollte nichts unternehmen, was diesen Vogel hätte aufscheuchen können, bevor mein Netz fertig war. Die letzte Taktik, die mir zur Verfügung stand, schien auch die einfachste zu sein: Ich könnte mir etwas ausdenken, um Dick davon abzuhalten, morgen in die Stadt zu gehen. Ich könnte ihn mit Spielzeug ablenken, oder ihn schlicht mit etwas beschäftigen, wovon ihn niemand unbemerkt wegholen könnte. Das würde mich jedoch keinen Schritt näher an Lutwin heranbringen, und ich wollte diesen Mann endlich in die Finger bekommen.
Ich sehnte mich danach, ihn umzubringen. Kein Feind, das wusste ich, war furchterregender als der, den man zuvor schon einmal schwer verwundet hatte. Und ich hatte ihm nicht nur den Arm, sondern auch das kümmerliche Leben seiner Schwester genommen und ihrem sinnlosen Griff nach der Macht ein Ende bereitet. Vielleicht hatte er einst davon geträumt, Macht für seine Gruppe von Gescheckten anzusammeln; nun vermutete ich, dass er mehr von seinem Hass auf mich und dem Wunsch nach Rache an den Weitsehern angetrieben wurde. Würde er irgendeine Form der Rache an mir als zu grausam betrachten? Ich bezweifelte es.
Ich verschränkte die Arme vor der Brust, lehnte mich zurück und blickte düster ins Feuer. Vielleicht waren meine Schlüsse falsch. Vielleicht war Lutwin nur als Gesandter der Zwiehaften in die Stadt gekommen. Vielleicht war seine Rumspioniererei nur ein Zeichen der Vorsicht. Aber auch das bezweifelte ich. Ich bezweifelte es sogar zutiefst.
Ich wollte nicht mit Chade darüber diskutieren. Mein Name war der, den Lutwin kannte, und es war mein Kind, das er bedrohte. Was man nun gegen ihn unternehmen musste, war einzig und allein meine Entscheidung. Später konnte Chade mich dann ausschimpfen, wenn er wollte, aber eben später, wenn Nessel und Pflichtgetreu nicht länger in Gefahr schwebten.
Je mehr ich über die Situation nachdachte, desto größer wurde mein Frust. Ich verließ Chades Turmkammer und stieg die Treppe hinunter in meine Kammer. Fürst Leuenfarb war nicht da. Das machte meine Verzweiflung auch nicht geringer. Ich musste nachdenken, doch ich konnte einfach nicht ruhig bleiben. Ich ging auf den verschneiten Übungshof und nahm meine alte, hässliche Klinge mit. Das schöne Schwert, das der Narr mir gegeben hatte, ließ ich an der Wand hängen, ein stummes Zeugnis meiner unverzeihlichen Dummheit.
Das Glück war mir hold, und ich traf Wim auf dem Hof. Ich machte ein paar Übungen mit meiner echten Waffe, und schon bald war mir trotz des kalten Tages warm. Dann wechselten Wim und ich zu Übungsschwertern für die härteren Übungen. Wim schien zu fühlen, dass ich nur meine Waffe und meinen Leib bewegen wollte und nicht meine Zunge. Ich schob all meine Sorgen beiseite und konzentrierte mich auf den Versuch, ihn zu töten. Als Wim plötzlich einen Schritt zurücksprang und verkündete, »Genug!«, glaubte ich, er brauche einfach nur eine Pause zum Durchatmen. Stattdessen senkte er die Schwertspitze jedoch bis auf den Boden und erklärte: »Ich glaube, du bist wieder das, was du einmal warst … was auch immer das gewesen sein mag, Tom.«
»Ich verstehe nicht«, sagte ich nach einem Augenblick.
Er atmete tief durch. »Als wir das erste Mal die Klingen miteinander gekreuzt haben, habe ich dich für jemanden gehalten, der versuchte, sich daran zu erinnern, was es heißt, ein Kämpfer zu sein. Jetzt bist du wieder in deine alte Haut geschlüpft. Du hast zu deinem Können
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