Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
Kamm durchs Haar und schnitt die Spitzen ab. Die nassen Haarbüschel fielen geräuschlos zu Boden, und bei Dicks nächsten Worten begann mein Herz wie wild zu schlagen.
    »Ja. Das du über die Gabe und das Alte Blut redest. Dass er dich bei einem anderen Namen nennt. Fitzshovly. Dass es dir nicht gefällt, dass ich von dem Mädchen weiß, das weint.«
    Die Furcht, die sein verdrehter Gebrauch meines Namens in mir geweckt hatte, wurde sofort von meiner panischen Angst verschluckt, als er ›das Mädchen‹ erwähnte. »Welches Mädchen?«, fragte ich dümmlich und sehnte mich danach, dass er nur mit ›dieses Mädchen eben‹ oder ›ich weiß es nicht‹ antworten würde. Mir drehte sich der Magen um.
    »Sie weint und weint«, sagte Dick leise.
    »Wer weint?«, fragte ich erneut, und mich verließ der Mut.
    »Dieses Mädchen. Diese Nessel, die nachts so wimmert und nicht aufhören will.« Er kippte den Kopf zur Seite, sodass ich versehentlich ein Büschel zu viel abschnitt. »Sie weint auch jetzt.«
    Meine Furcht wuchs mehr und mehr. »Tut sie das?«, fragte ich. Vorsichtig senkte ich meine Gabenmauern. Ich öffnete mich für Nessel, fühlte aber nichts. »Nein. Sie ist jetzt still«, bemerkte ich.
    »Sie weint für sich allein. An einem anderen Ort.«
    »Ich weiß nicht, was du meinst.«
    »An dem leeren Ort.«
    »Ich weiß nicht, was du meinst«, wiederholte ich mit wachsender Sorge.
    Dick runzelte die Stirn, dachte einen Augenblick lang nach, und plötzlich entspannte sich sein Gesicht wieder. »Egal. Sie hat aufgehört.«
    »Einfach so?«, fragte ich ungläubig. Ich legte Kamm und Schere beiseite.
    »Ja.« Beiläufig tastete Dick seine Nase ab. »Ich gehe jetzt«, verkündete er plötzlich. Er stand auf und schaute sich im Zimmer um. »Iss meinen Kuchen nicht!«, warnte er mich.
    »Das werde ich nicht. Bist du sicher, dass du nicht bleiben und ihn essen willst?« Eine Art Schock hatte mich allen Gefühlen gegenüber immun gemacht. Hatte Lutwin meinen echten Namen aus Dicks Verballhornung geschlossen? Auf jeden Fall kannte er den Namen meiner Tochter. Ein Abgrund tat sich unter uns auf, und ich redete mit dem Schwachkopf über Zuckerkuchen.
    »Wenn ich ihn esse, ist er weg.«
    »Es könnte noch einen geben.«
    »Vielleicht auch nicht«, ergänzte er mit seiner unvergleichlichen Logik.
    »Ich habe eine Idee.« Ich ging zu einem von Chades Regalen, das nicht ganz so überfüllt war, und schob ein paar Dinge hin und her. »Wir werden hier einen Fleck für dich freimachen, und dann legen wir Dicks Dinge auf das Regal. So sind sie immer da, wo du sie finden kannst.«
    Aus irgendeinem Grund schien er Schwierigkeiten zu haben, das zu verstehen. Ich erklärte es ihm auf verschiedene Art und ließ ihn dann seinen Zuckerkuchen und die Feder auf das Regal legen. Zögernd griff er nach der Schüssel, in der die Rosinen und Nüsse gewesen waren. Nur eine Handvoll kandierter Nüsse war noch übrig. »Die kannst du auch da hinstellen«, sagte ich ihm. »Ich werde versuchen, sie für dich wieder aufzufüllen.« Das tat er dann auch und bewunderte anschließend seinen eigenen Platz im Regal.
    »Ich werde jetzt gehen.«
    »Dick«, begann ich vorsichtig. »Morgen, am Waschtag. Wird ein Mann dich wieder zu dem Einarmigen bringen?«
    »Darf nicht über ihn sprechen.« Er war eisenhart … eisenhart und verängstigt. Ich hörte es in seiner Gabenmusik.
    »Willst du gehen, Dick? Willst du dich mit dem Einarmigen treffen?«
    »Ich muss gehen.«
    »Nein, das musst du nicht. Nicht mehr. Willst du gehen?«
    Das schien eine Menge an Nachdenken zu erfordern. Dann sagte er: »Ich will die Pennys. Um Süßes zu kaufen.«
    »Wenn du mir sagen würdest, wo der Einarmige sich aufhält, könnte ich für dich gehen, die Pennys für dich holen und dir was Süßes kaufen.«
    Er verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. »Ich hole meine Pennys selber. Ich mag es, selbst süße Sachen zu kaufen.« Sein Misstrauen war wieder zurückgekehrt, und er rückte ein Stück von mir ab.
    Ich atmete tief durch und ermahnte mich zur Geduld. »Dann sehe ich dich morgen zum Unterricht.«
    Dick nickte ernst und verließ Chades Kammer. Ich hob die nasse Hose vom Boden auf und hing sie wieder über den Stuhl. Ich bezweifelte, dass irgendjemand sich über die Robe wundern würde, die Dick nun trug. Sie war in einem Stil geschnitten, der in Bocksburg schon lange aus der Mode war, und Diener, besonders jene niedersten Ranges' trugen oft die abgelegten Sachen ihrer

Weitere Kostenlose Bücher