Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 02 - Der goldene Narr
Kettricken es für richtig hält, dass ein Mann ihn allein unterrichten soll. Er braucht einen Mann in seinem Leben. Gib ihm das Gefühl, irgendwohin zu gehören, Fitz.«
»Warum ich?«, fragte ich erneut verärgert.
Chade lächelte noch breiter. »Ich glaube, Kettricken gefällt die Symmetrie des Ganzen. Und ich muss gestehen, dass ich auch eine gewisse Gerechtigkeit darin sehe.« Dann atmete er tief durch, und seine Stimme wurde ernster. »Wohin sonst sollten wir ihn auch tun? Sollten wir ihm jemandem übergeben, der die Zwiehaften verachtet? Oder jemandem, der ihn als Last empfindet? Nein. Er gehört jetzt dir, Fitz. Mach etwas aus ihm. Und bring ihm den Umgang mit der Axt bei. Der Junge dürfte Burrichs Statur haben, wenn er erwachsen ist. Im Augenblick besteht er jedoch nur aus Haut und Knochen. Nimm ihn jeden Tag mit auf den Übungsplatz, und sieh zu, dass er Muskeln bekommt.«
»In meiner freien Zeit«, versprach ich ihm säuerlich. Ich fragte mich, ob Burrich mich zuerst mit ebensolchem Unwillen betrachtet hatte wie ich seinen Sohn. Ich hielt es für möglich. Aber egal, wie sehr mir das auch gefiel, Chade hatte mir klargemacht, dass es daran nichts zu ändern gab. In dem Moment, da er gefragt hatte, »Wohin sonst sollten wir ihn auch tun?«, war mir bewusst geworden, was Flink in den Händen eines Anderen widerfahren könnte. Natürlich wollte ich diese Verantwortung nicht, am wenigsten jetzt. Ich konnte nur die Vorstellung einfach nicht ertragen, dass irgendjemand grausam zu ihm war oder ihn ignorierte. So denken alle Menschen, wenn sie einmal Eltern waren. Man ist davon überzeugt, dass niemand besser für diese Aufgabe geeignet ist.
Mit noch größerem Unwillen dachte ich daran, wieder zur Axt zu greifen. Das würde wehtun. Aber Chade hatte Recht. Die Axt war schon immer meine beste Waffe gewesen. Gute Schwerter waren bei mir verschwendet. Ich dachte mit Bedauern an das wunderschöne Schwert, das der Narr mir gegeben hatte. Es war bei ihm geblieben, zusammen mit meiner extravaganten Garderobe. Es hatte mir nicht gefallen, mich als sein Diener zu verkleiden, doch nun stellte ich fest, dass ich das vermisste. Wenigstens hatte ich so Gelegenheit gehabt, Zeit mit ihm zu verbringen. Unser letztes Gespräch hatte die Kluft ein wenig geschlossen, die zwischen uns bestand, aber in anderer Hinsicht hatte es auch eine neue Distanz aufgebaut. Ich hatte mich der Tatsache stellen müssen, dass der Narr nicht der Mann war, von dem ich geglaubt hatte, dass ich ihn kennen würde. Ich wollte meine Freundschaft mit ihm erneuern, aber wie konnte ich das, jetzt wo ich wusste, dass der Narr nur eine Fassade von ihm war? Es war, dachte ich säuerlich, als wäre man mit einer Marionette befreundet und würde den Mann ignorieren, der die Fäden zog.
Doch spät in jener Nacht ging ich zu seiner Tür und klopfte leise an. Ein schwacher Lichtschein drang unter der Tür hindurch, aber ich stand lange im Gang, bis eine Stimme verärgert fragte: »Wer ist da?«
»Tom Dachsenbless, Fürst Leuenfarb. Darf ich eintreten?«
Nach einer Pause hörte ich, wie der Riegel gehoben wurde. Ich betrat den Raum, den ich kaum wiedererkannte. Die reservierte Eleganz war einer opulenten Pracht gewichen. Üppige Teppiche lagen übereinander auf dem Boden. Die Kerzenständer auf dem Tisch waren aus Gold, und edle Duftöle in den Brennern gaben einen Geruch ab, als hätte Fürst Leuenfarb Geld verbrannt. Der Mann, der vor mir stand, trug wallende, mit Juwelen besetzte Seide. Selbst die Wandbehänge waren geändert worden. Die schlichten Jagdszenen, die man oft in Bocksburg fand, waren von prachtvollen Darstellungen jamailianischer Gärten und Tempel ersetzt worden.
»Willst du reinkommen und die Tür schließen, oder willst du nur da stehen und gaffen?«, verlangte er gereizt von mir zu wissen. »Es ist spät in der Nacht, Tom Dachsenbless. Wohl kaum die richtige Zeit für einen Besuch.«
Ich schloss die Tür hinter mir. »Ich weiß. Dafür entschuldige ich mich, aber immer wenn ich zu gottgefälligeren Zeiten vorbeigekommen bin, warst du nicht da.«
»Hast du irgendetwas vergessen, als du meinen Dienst verlassen hast und aus deiner Kammer ausgezogen bist? Diesen furchtbaren Wandteppich vielleicht?«
»Nein.« Ich seufzte und beschloss, dass ich mich von ihm nicht wieder in diese Rolle drängen lassen würde. »Ich habe dich vermisst. Und ich habe immer und immer wieder diesen dummen Streit bereut, den ich vom Zaun gebrochen habe, als Jek hier
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