Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet
was sie von mir will
, erwiderte er hilflos.
Sie funkelt mich aus den Augenwinkeln heraus an, und gleichzeitig klammert sie sich an meine Hand wie an eine Rettungsleine.
Die Worte erreichten mich über unsere Gabenverbindung so klar, als würde ich neben ihm sitzen. Das Mädchen, das die Herausforderung ausgesprochen hatte, war größer als Elliania und möglicherweise älter. Ich wusste genug über Frauen, um zu wissen, dass das Alter allein nicht bestimmte, wann zum ersten Mal Blut floss. Tatsächlich hätte ich sie schon für eine Frau gehalten, wäre da nicht ihr offenes Haar gewesen. Lestra verspotte Elliania weiter frech. »So. Du bindest ihn an dich, damit niemand sonst ihn haben kann, und doch wagst du es noch nicht einmal, ihn zu küssen!«
»Vielleicht will ich ihn noch nicht küssen. Vielleicht will ich warten, bis er sich meiner als würdig erwiesen hat.«
Lestra schüttelte den Kopf. Sie hatte kleine Glöckchen in ihr Haar gebunden, und ich hörte ihr Klingeln, als sie spöttisch erwiderte: »Nein, Elliania, dafür kennen wir dich zu gut. Als Mädchen warst du immer die sanftmütigste und zurückhaltendste von uns, und jetzt wage ich zu behaupten, dass du als Frau nicht anders bist. Du traust dich nicht, ihn zu küssen, und er ist als Mann zu schüchtern, sich einen Kuss zu nehmen. Er ist ein milchgesichtiger Junge, der sich als Mann verkleidet. Stimmt das nicht, >mein Prinz Du bist genauso schüchtern wie sie. Vielleicht kann ich dich ja Kühnheit lehren. Seht doch mal: Er schaut noch nicht einmal auf ihre Brüste! Oder vielleicht sind sie ja auch so klein, dass er sie nicht sehen kann.«
Ich beneidete Pflichtgetreu nicht gerade, und ich wusste auch nicht, was ich ihm raten sollte. Ich setzte mich auf die niedrige Steinmauer, die als Begrenzung für den jungen Obsthain diente. Dann rieb ich mir das Gesicht, wie es ein Mann tut, der zu viel getrunken hat und nun wieder klar werden will. Ich hoffte, dass die Leute mich für betrunken hielten und in Ruhe lassen würden. Zwar bereitete es mir keine Freude, Pflichtgetreu in diesem Dilemma zu sehen, aber ich wagte nicht, ihn allein zu lassen. Ich ließ die Schultern hängen und gab mir den Anschein, als würde ich in die Ferne starren, während ich meinen Prinzen in Wahrheit aus den Augenwinkeln heraus beobachtete.
Pflichtgetreu nahm sich ein Herz und sagte steif: »Vielleicht respektiere ich die Narcheska Elliania ja auch zu sehr, als dass ich mir einfach nehmen würde, was sie mir nicht angeboten hat.« Ich fühlte seine eiserne Entschlossenheit, bei diesen Worten nicht auf ihre Brüste zu starren. Das Wissen, dass sie ihm so nahe waren, nackt und warm, forderte seinen Preis.
So konnte er allerdings auch nicht das Gesicht sehen, das Elliania machte, als sie zur Seite schaute. Diese Antwort hatte ihr nicht gefallen.
»Aber mich respektierst du nicht, oder?«, neckte ihn das kleine Biest.
»Nein«, antwortete er knapp. »Ich glaube nicht, dass ich das tue.«
»Dann gibt es ja kein Problem. Beweis deinen Mut, und küss mich!«, befahl ihm Lestra triumphierend. »Dann werde ich ihr sagen, ob sie etwas verpasst.« Als wolle sie ihn dazu zwingen, beugte sie sich plötzlich vor, und ihre Hand flog zu seinen Lenden. »Was ist das?«, krähte sie schelmisch, als Pflichtgetreu mit einem wütenden Schrei aufsprang. »Da wartet mehr als nur ein Kuss auf dich, Elliania. Seht es euch an! Da hat eine Einmannarmee ein Zelt errichtet! Wird die Belagerung lange dauern?«
»Lestra, hör auf damit!«, knurrte Elliania. Auch sie war aufgestanden. Ihre Wangen waren gerötet, und sie schaute nicht Pflichtgetreu an, sondern funkelte auf ihre Feindin hinunter. Ihre nackten Brüste hoben und senkten sich mit jedem wütenden Atemzug.
»Warum? Du hast offensichtlich nicht die Absicht, irgendetwas Interessantes mit ihm zu tun. Warum soll ich ihn mir dann nicht nehmen? Rechtmäßig sollte er ohnehin mir gehören, so wie ich auch rechtmäßig die Narcheska sein sollte. Und das werde ich auch sein, wenn er dich in sein eigenes Mütterhaus nimmt, wo du nur ein niedriges Weib sein wirst.«
Mehrere der Mädchen schnappten hörbar nach Luft, doch Ellianias Augen brannten nur umso heißer.
»Das ist eine der ältesten Lügen, die du verbreitest, Lestra! Deine Urgroßmutter war der jüngere Zwilling. Das bestätigen beide Hebammen.«
»Die erste, die aus dem Schoß kommt, ist nicht immer die älteste, Elliania. Das sagen viele. Deine Urgroßmutter war ein maunzendes,
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