Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet
abwenden, und doch starrte ich fasziniert dorthin. Ellianias Worte erreichten mich kaum. »Ich habe gehört, wie die Tür geöffnet wurde, und als ich aus dem Fenster geschaut habe, habe ich dich hier warten sehen.«
»Ich konnte nicht schlafen.« Pflichtgetreu hob die Hände, als wolle er nach ihr greifen, ließ sie jedoch sofort wieder sinken. Ich fühlte die scharfen Blicke, die er mir zuwarf, mehr als dass ich sie sah.
Geh weg. Ich werde morgen mit dir reden.
Sein Befehl war ganz auf mich fokussiert. Ich bezweifelte, dass selbst Dick ihn wahrgenommen hatte. Pflichtgetreu sprach in königlichem Tonfall, und er erwartete von mir, dass ich ihm gehorchte.
Ich kann nicht. Du weißt, dass das gefährlich ist. Schick sie in ihr Zimmer zurück, Pflichtgetreu.
Ich fühlte nicht, ob er meinen Gedanken empfangen hatte. Er hatte sich von mir abgeschottet, um sich auf das Mädchen zu konzentrieren. Hinter mir stand Dick auf und gähnte. »Ich geh wieder zurück«, verkündete er verschlafen.
Schschsch. Nein. Wir müssen hier bleiben und sehr still sein. Sprich nicht so laut.
Besorgt spähte ich zu dem jungen Paar hinüber, doch falls Elliania Dick gehört haben sollte, zeigte sie es zumindest nicht. Nervös fragte ich mich, wo Peottre sich befand, und was er wohl tun würde, wenn er Elliania hier mit Pflichtgetreu fand.
Dick seufzte. Er hockte sich wieder hin und legte sich dann flach auf den Boden.
Das ist dumm. Ich will wieder ins Bett.
Elliania blickte auf Pflichtgetreus Hände, neigte dann den Kopf zur Seite und schaute ihm ins Gesicht. »So. Auf wen wartest du?« Sie kniff die Augen zusammen. »Auf Lestra? Hat sie dich hierher bestellt, um sich mit dir zu treffen?«
Ein ausgesprochen seltsames Lächeln erschien auf Pflichtgetreus Gesicht. Freute es ihn, dass er ihre Eifersucht geweckt hatte? Er sprach leiser als sie, doch ich konnte ihm die Worte von den Lippen ablesen. »Lestra? Warum sollte ich im Mondschein auf Lestra warten?«
»Heute Nacht steht kein Mond am Himmel«, wies Elliania ihn in scharfem Ton zurecht. »Und was das Warum betrifft: Weil Lestra dir nur allzu gerne ihren Körper geben würde. Allerdings mehr, um mir eins auszuwischen, als dass sie dich so anziehend finden würde.«
Pflichtgetreu verschränkte die Arme vor der Brust. Ich fragte mich, ob er auf diese Art seine Befriedigung verbergen wollte, oder ob er sich zurückhalten musste, sie nicht in die Arme zu nehmen. Elliania war schlank wie ein Weide, und ihre für die Nacht geflochtenen Haare fielen ihr bis auf die Hüfte. Ich konnte ihre Wärme förmlich riechen. »So. Du glaubst also, dass sie mich anziehend findet.«
»Wer weiß? Ihr gefallen die merkwürdigsten Dinge. Sie hat eine Katze mit krummem Schwanz und zu vielen Zehen. Die hält sie auch für hübsch.« Sie zuckte mit den Schultern. »Aber sie würde dir ohnehin sagen, wie gut du aussiehst, nur um dich zu gewinnen.«
»Würde sie das? Aber vielleicht will ich gar nicht, dass Lestra mich gewinnt. Sie ist hübsch, aber vielleicht möchte ich ja gar nichts von ihr«, gab Pflichtgetreu ihr zu bedenken.
Die Nacht selbst hielt den Atem an, als Elliania zu ihm hinaufblickte. Ich sah das Heben ihres Busens, als sie tief Luft holte. »Was willst du dann?«, fragte sie sanft wie eine Morgenbrise.
Pflichtgetreu versuchte nicht, sie in die Arme zu nehmen. Ich glaube, dem hätte sie sich widersetzt. Stattdessen streckte er eine Hand aus und hob ihr Kinn mit der Fingerspitze. Dann beugte er sich vor, um einen Kuss von ihr zu stehlen. Stehlen? Aber sie floh nicht, im Gegenteil: Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, und ihre Münder berührten sich im sanften Zwielicht. Ich fühlte mich wie ein lüsterner, alter Mann, der hinter der Hecke kauerte und sie ausspionierte. Ich wusste, dass die beiden sich damit in Gefahr begaben, dass sie unnötige Risiken eingingen, doch gleichzeitig freute ich mich, dass mein Junge nicht nur eine arrangierte Ehe, sondern vielleicht auch wahre Liebe kennen lernen würde. Als sie sich schließlich voneinander lösten, hoffte ich, dass Pflichtgetreu Elliania wieder ins Schlafgemach schicken würde. Ich wollte ihn diesen Augenblick genießen lassen, doch ich wusste, dass ich würde eingreifen müssen, sollte ihr Experiment über einen Kuss hinausgehen. Ich verzog unwillkürlich das Gesicht ob dieses Gedankens, bereitete mich aber innerlich darauf vor, es tun zu müssen.
Furchtsam hörte ich Ellianias gehauchte Frage: »Ein Kuss? Das war alles, was du
Weitere Kostenlose Bücher