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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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gefährden?«
    Ich war entsetzt, dass er uns so sah, doch so schrecklich seine Worte auch waren, ich konnte sie nicht leugnen. Hier war er, auf einer Queste, die er nicht tun wollte, und um eine Braut zu gewinnen, die er sich nicht ausgesucht hatte. Ich wagte es nicht, zu Chade zu blicken, denn wie hätte Pflichtgetreu das in diesem Augenblick interpretiert? Stattdessen blickte ich in mein Branntweinglas und ließ die Flüssigkeit darin kreisen, so wie ich es Veritas oft tun gesehen hatte, wenn er über etwas hatte nachdenken müssen. Aber was für Antworten er auch immer in dem tanzenden Alkohol gefunden haben mochte, ich fand keine.
    Ich hörte das Kratzen von Chades Stuhl, als er ihn vom Tisch zurückschob, und wagte es, in seine Richtung zu schauen. Er war aufgestanden, sah deutlich älter aus als noch vor zehn Minuten, und wanderte langsam um den Tisch herum. Als der Prinz sich auf seinem Stuhl drehte, um verwirrt zu ihm hinaufzuschauen, kniete sich der alte Assassine vor ihn und senkte den Kopf.
    »Mein Prinz«, sagte er mit gebrochener Stimme. »Irgendwann werdet Ihr mein König sein. Das ist der einzige Plan, den ich verfolge. Niemals würde ich die Hand gegen Euch erheben, nein, und auch niemand anderen dazu bewegen. Nehmt mir nun den Treueid ab, wenn Ihr wünscht, den andere Euch nur formell bei Eurer Krönung schwören werden. Denn von mir habt Ihr ihn schon seit dem Tag Eurer Geburt.«
    Die Tränen brannten mir in den Augen.
    Pflichtgetreu stemmte die Hände in die Hüfte und beugte sich vor. Er sprach zu Chades Hinterkopf. »Und Ihr habt mich angelogen, Ratgeber Chade. >Ich weiß nichts über Nessel und ihren Drachen. <« Die Art, wie er Chades unschuldigen Tonfall imitierte, war hervorragend. »War es nicht das, was Ihr gesagt habt?«
    Es folgte ein langes Schweigen. Schließlich atmete Chade tief durch und sagte widerwillig: »Ich halte es nicht für gerechtfertigt, es eine Lüge zu nennen, wenn wir beide wissen, dass ich lüge. Von einem Mann in meiner Position erwartet man manchmal, dass er seinen Herrn belügt, sodass dieser Herr wahrheitsgemäß antworten kann, wenn man ihn fragt, was man ihm über einen Untertan erzählt hat.«
    »Oh, steh auf.« In der Stimme des Prinzen mischten sich Verachtung und Belustigung. »Du verdrehst die Tatsachen, bis wir beide nicht mehr wissen, worüber du eigentlich redest. Du könntest mir tausend Mal die Treue schwören, aber wenn du morgen zu dem Schluss gelangen würdest, mein Darm müsse gereinigt werden, würdest du mir ein Abführmittel unterschieben.« Er stand auf und streckte die Hand aus. Chade ergriff sie, und Pflichtgetreu zog ihn in die Höhe. Der alte Assassine richtete sich mit einem Stöhnen auf und ging dann um den Tisch, um sich wieder zu setzen. Weder die offenen Worte des Prinzen noch der Misserfolg seines dramatischen Auftritts schienen ihn in irgendeiner Form beeindruckt zu haben.
    Ich fragte mich, was ich da gerade beobachtet hatte. Nicht zum ersten Mal fiel mir auf, wie unterschiedlich das Verhältnis des alten Mannes zu diesem Jungen im Vergleich zu dem war, das zwischen uns in meiner Jugend bestanden hatte. Und das, so glaubte ich, war kurz gesagt die Antwort. Wenn Chade und ich miteinander redeten, sprachen wir wie Kaufleute, ohne uns über die schmutzigen Geheimnisse unseres Handwerks den Kopf zu zerbrechen. Vor dem Prinzen sollten wir jedoch in Zukunft nicht mehr so reden, beschloss ich in diesem Moment. Er war kein Assassine und sollte somit auch nicht in unsere ruchloseren Aktivitäten hineingezogen werden. Natürlich sollten wir ihn nicht anlügen, was diese Dinge betraf, aber wir sollten sie ihm auch nicht unter die Nase reiben.
    Vielleicht war es das, woran er uns hatte erinnern wollen. Bewundernd schüttelte ich den Kopf. Pflichtgetreu wuchs zu einem König heran, so natürlich wie ein Welpe, der zum ersten Mal eine Spur aufnimmt. Schon jetzt wusste er, wie er uns bewegen und benutzen konnte, und ich fühlte mich dadurch keineswegs gedemütigt, sondern beruhigt.
    Doch kaum war mir dieser Gedanke gekommen, da beraubte er mich meines Trosts. »FitzChivalric, ich erwarte von dir, dass du mit Nessel noch heute Nacht in ihren Träumen sprichst. Sag ihr, dass ich ihr befehle, nach Bocksburg zu gehen und meine Mutter um Zuflucht zu bitten. Das sollte sie davon überzeugen, dass ich wirklich der bin, der ich behaupte zu sein. Wirst du das tun?«
    »Muss ich genau diese Worte verwenden?«, fragte ich widerwillig.
    »Nun... Vielleicht

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