Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
kannst du es ja ein wenig anders ausdrücken. Ach, sag ihr, was immer du willst, so lange sie nach Bocksburg geht und begreift, wie real die Gefahr ist. Ich werde eine kurze Nachricht an meine Mutter schreiben und sie ihr mit einem Vogel schicken, nur um sicherzugehen, dass sie weiß, dass dieses Thema nicht zur Diskussion steht.« Er stand auf und seufzte. »Und jetzt werde ich schlafen gehen und zwar in einem echten Bett hinter einer geschlossenen Tür und nicht auf einem Brett in einer Halle, wo man sich wie eine Trophäe vorkommen muss. Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, wann ich zum letzten Mal so müde gewesen bin.«
    Ich war froh, die Kabine verlassen zu können. An Deck ging ich noch ein wenig auf und ab. Der Wind hatte aufgefrischt; Risk kreiste am Himmel über uns, und der Tag war schön. Ich konnte nicht sagen, ob ich die vor mir liegende Aufgabe fürchtete oder herbeisehnte. Pflichtgetreu hatte nicht von mir verlangt, Nessel zu enthüllen, dass sie meine Tochter ist; doch sie nach Bocksburg zu schicken, bedeutete den ersten Schritt auf dem Weg zu diesem Wissen. Ich schüttelte den Kopf. Ich wusste nicht länger, auf was ich eigentlich hoffte. Ich wusste jedoch, dass ich eines fürchtete. Was der Prinz über Tintaglia gesagt hatte, hatte mich erschrocken. War ich wirklich zu sicher gewesen, was Nessels Fähigkeit betraf, sich dem Drachen zu widersetzen? War es wirklich möglich, dass die Bestie wusste, wo meine Tochter lebte ?
    Der Tag verging langsam. Zweimal schaute ich nach Dick. Er blieb in seiner Koje, das Gesicht der Wand zugekehrt, und bestand darauf, krank zu sein. Tatsächlich vermutete ich jedoch, dass er sich allmählich an die Seefahrt gewöhnte. Als ich ihm sagte, dass er gar nicht krank aussehe und dass es ihm vielleicht gefallen würde, an Deck zu gehen, hätte er es mit einem wilden Würgen beinahe geschafft, den Inhalt seines Magens über meine Füße zu verteilen. Stattdessen bekam er jedoch einen Hustenanfall, und ich hielt es für besser, den kleinen Mann in Frieden zu lassen. Auf dem Weg hinaus stieß ich mir >versehentlich< die Schulter am Türrahmen, und Dick lachte.
    Ich rieb mir die Schulter und stieg wieder an Deck. Auf dem Vordeck fand ich Sieber mit einem Stück Segeltuch und einer Hand voll Kieselsteine, mit deren Hilfe er versuchte, zwei Matrosen das Steinspiel zu erklären. Ich überließ ihn dem Spiel und fand Flink bei Gentil. Gentils Katze war einen der Masten hinaufgeklettert, und nun versuchten die beiden, das Tier dazu zu bewegen, wieder herunterzukommen, sehr zum Ärger unseres Kapitäns und zur Belustigung mehrerer Outislander. Risk landete in der Takelage, knapp außerhalb der Reichweite der Katze, und neckte das Tier mit halb erhobenen Flügeln und spöttischem Kreischen, bis Web dem Vogel befahl, aufzuhören und der Katze lieber beim Runterklettern zu helfen.
    Und so verging der Tag, und die gefürchtete Nacht brach heran, nach der ich mich zugleich gesehnt hatte. Ich kehrte in die Kabine zurück, die ich mir mit Dick teilte. Flink hatte ihm sein Abendessen gebracht, und die leeren Schüsseln auf dem Boden deuteten daraufhin, dass der Appetit des kleinen Mannes intakt war. Ich stapelte sie und stellte sie beiseite, doch nur um einen Augenblick später über sie zu stolpern. Ein leises Kichern von Dick war der einzige Hinweis darauf, dass er mein Missgeschick beobachtet hatte. Als ich ihm eine gute Nacht wünschte, ignorierte er mich.
    Neben Dick fand ich keinen Platz in der Koje. Ich legte mich auf den Boden, und es dauerte seine Zeit, bis ich jenen Zustand zwischen Wachen und Schlafen erreicht hatte, in dem ich auf Traumwanderung gehen konnte. Das war verschwendete Zeit. Egal wo ich Nessel auch suchte, ich konnte sie nicht finden. Das beunruhigte mich so sehr, dass ich nicht schlafen konnte, und den Großteil der Nacht über ging ich immer wieder auf Traumwanderung. Aber je mehr ich nach ihr suchte, desto weniger Spuren fand ich.
    In der Dunkelheit der stickigen, kleinen Kabine sagte ich mir selbst, dass ich es sicher wissen würde, sollte Nessel irgendetwas passiert sein. Wir waren über die Gabe miteinander verbunden. Sicher hätte sie nach mir gerufen, wenn sie in Gefahr geschwebt hätte. Ich tröstete mich damit, dass meine Tochter mich auch schon zuvor aus ihren Träumen ausgesperrt hatte - und sie war wütend auf mich gewesen, weil ich dem Prinzen >erlaubt< hatte, an den Ort zu kommen, den wir miteinander teilten. Vielleicht war das meine Strafe.

Weitere Kostenlose Bücher