Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet
unserer letzten Reise heimgesucht hatte, begannen von neuem, und ich konnte nichts dagegen tun. Hätte ich meine Mauern gegen seinen subtilen Gabeneinfluss errichtet, hätte ich Chade und Pflichtgetreu nicht mehr gefühlt. Also ertrug ich es.
Und um alles noch schlimmer zu machen, waren die Gewässer, die wir durchqueren mussten, mehr als übel. Wir kämpften gegen Strömungen und Gezeiten, die immer gegen uns zu sein schienen. Zwei Tage lang wurde unser Schiff wild hin und her geworfen, und Dick war wirklich seekrank wie auch Kräusel, Flink und Gentil. Der Rest von uns aß nur wenig und tastete sich von einem Haltegriff zum nächsten. Ich erhaschte einen Blick auf eine sehr, sehr blasse Narcheska, die an Peottres Arm geklammert übers Deck spazierte. Beide sahen sie nicht gerade aus, als würden sie sich amüsieren. Die Tage vergingen nur langsam.
Ich fand keine Gelegenheit, mit Web über die Alte Macht zu sprechen. Von Zeit zu Zeit erinnerte ich mich an meine Absicht, doch jedes Mal fielen mir just in diesem Augenblick ein Dutzend Dinge ein, die ich dringend erledigen musste. Ich versuchte, so zu tun, als hielten mich die Umstände davon ab, zu ihm zu gehen. In Wirklichkeit konnte ich jedoch nicht sagen, was mich zurückhielt.
Schließlich erschien unser Ziel am Horizont. Selbst aus der Ferne wirkte Aslevjal öde und trostlos. Aslevjal gehört zu den nördlichsten der Äußeren Inseln, ein rauer, ja grimmiger Ort.
Hier obsiegt der Sommer nie. Selbst die wärmsten Tage des eher milden Sommers reichen nicht aus, um den Schnee des vergangenen Winters auf den Bergen zu schmelzen. Der Großteil der Insel liegt unter dem Gletscher, der sich zwischen den Gipfeln hindurchzwängt. Manche behaupten, es handele sich eigentlich um zwei Inseln, die durch das Eis miteinander verbunden seien, aber ich weiß nicht, worauf sich dieser Glaube gründet. Bei Ebbe sind schwarze Sandstrände zu erkennen, welche die Insel wie ein trostloser Gürtel umgeben. Ein kahler, felsiger Strandstreifen sowie eine Klippe am einen Ende der Insel sind immer zu sehen. An anderen Stellen brechen Felsspitzen durch den eisigen Mantel des Gletschers. Ich konnte nicht sagen, ob der Nebel um die Insel von schmelzendem Schnee stammte, oder ob es sich dabei um Schnee handelte, der vom eisigen Nordwind umhergewirbelt wurde.
Wir näherten uns der Insel nur langsam, denn Wind und Wasser schienen sich gegen uns verschworen zu haben. Ich stand an der Reling, als Pflichtgetreu und die Narcheska begleitet von Chade und Peottre herauskamen, um einen Blick auf die Insel zu werfen. Pflichtgetreu verzog das Gesicht. »Das scheint mir kein Ort zu sein, an dem irgendein Lebewesen freiwillig lebt, ganz zu schweigen von einer Kreatur so groß wie ein Drache. Warum sollte ein Drache dort sein?«
Die Narcheska schüttelte den Kopf und sagte leise: »Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass es in unseren Legenden heißt, er sei dort. Deshalb müssen wir dorthin.« Sie zog ihren Wollumhang enger um die Schultern, denn der Wind wehte eisig von der Insel zu uns heran.
Am Nachmittag umfuhren wir eine Landspitze und bogen in die einzige Bucht von Aslevjal ein. Unsere Spione hatten uns berichtet, dass es hier menschenleer sei, und die Anlegestelle und die wenigen Gebäude hier waren tatsächlich schon lange außer Betrieb und in dementsprechendem Zustand.
Dennoch sah ich einen farbigen Fleck auf der Klippe über dem Strand. Noch während ich versuchte herauszufinden, was das war, trat eine Gestalt daraus heraus. Ein Mann stand oben auf der Klippe. Sein schwarz-weißer Kapuzenumhang flatterte um ihn herum. Er hob die Hand zum Gruß, stand aber einfach nur da und wartete auf uns.
»Wer ist das?«, verlangte Chade von Peottre zu wissen, nachdem der Schrei des Ausgucks sie darauf aufmerksam gemacht hatte.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Peottre. Seine Furcht war ihm deutlich anzuhören.
»Vielleicht ist das der legendäre Schwarze Mann der Insel«, sagte Blutklinge, der inzwischen ebenfalls zu uns gestoßen war. Er beugte sich neugierig vor und musterte die ferne Gestalt. »Ich habe mich schon immer gefragt, ob die Geschichten wahr sind.«
»Ich will es gar nicht wissen«, bemerkte die Narcheska leise. Sie hatte die Augen weit aufgerissen. Je weiter wir in die Bucht reinfuhren, desto voller wurde es an der Reling, und alle starrten auf die einsame, unheimliche Gestalt, die uns erwartete. Erst nachdem wir Anker geworfen hatten und die kleinen Boote vorbereitet wurden, die
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