Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet
Stimme. »Sie hat nie jemanden täuschen wollen. Zuerst hat sie geglaubt, wir wären nur Freunde, und deshalb hat sie auch keinen Grund darin gesehen, mir zu erzählen dass sie versprochen ist. Als wir jedoch Gefühle füreinander entwickelten, hat sie schlicht Angst gehabt, es mir zu sagen; ich sollte nicht denken, dass sie ihm untreu sei. Doch in Wahrheit hat sie ihm nie ihr Herz geschenkt; außer dem Wort ihrer Eltern hatte er nichts.«
»Und als er wieder zurückgekommen ist?«
Harm mühte sich, nicht die Fassung zu verlieren. »Das ist sehr kompliziert, Tom. Ihre Mutter hat gesundheitliche Probleme, und ihr Herz hängt an dieser Verbindung. Reften ist der Sohn einer Freundin aus ihrer Kindheit, und Svanjas Vater will sein Wort nicht wieder zurücknehmen, nachdem er der Ehe zugestimmt hat. Er ist ein stolzer Mann. Als Reften also wieder zurückgekehrt ist, hat Svanja es für das Beste gehalten, während der kurzen Zeit, die er hier war, so zu tun, als wäre alles in Ordnung.«
»Und nun da er fort ist, ist sie wieder zu dir zurückgekehrt.«
»Genau«, bestätigte Harm knapp, als gebe es nichts mehr dazu zu sagen.
Ich legte ihm im Gehen die Hand auf die Schulter. Seine Muskeln waren angespannt und hart wie Stein. Ich stellte die Frage, die ich stellen musste: »Und was wird passieren, wenn er wieder in den Hafen kommt und seiner Liebsten Geschenke bringt?«
»Dann wird sie ihm sagen, dass sie mich liebt und nun mir gehört«, antwortete Harm mit leiser Stimme. »Sonst werde ich es tun.« Eine Zeit lang gingen wir schweigend nebeneinander her.
»Du hältst mich für verrückt«, sagte er schließlich, als wir in die Straße einbogen, in der auch das Festsitzende Schwein lag. »Du denkst, dass sie mit mir spielt, und dass sie mich wieder abservieren wird, sobald Reften nach Hause kommt.«
»Das scheint mir durchaus eine Möglichkeit zu sein«, sagte ich und versuchte, die harten Worte möglich sanft klingen zu lassen.
Harm seufzte und ließ die Schultern hängen. »Mir auch. Aber was soll ich denn tun, Tom? Ich liebe sie; Svanja und keine andere. Sie ist meine andere Hälfte, und wenn wir zusammen sind, bilden wir ein Ganzes, das ich nicht in Frage stellen kann. Wenn ich jetzt so mit dir darüber rede, klingt es selbst in meinen eigenen Ohren, als wäre ich schlicht zu naiv; doch wenn ich bei ihr bin und sie mir in die Augen schaut, weiß ich, dass sie die Wahrheit sagt.«
Schweigend gingen wir weiter. Um uns herum änderte die Stadt ihren Rhythmus; die Menschen entspannten sich von den Mühen des Tages. Nun war die Zeit für das gemeinsame Essen im Kreise der Familie. Aus allen Fenstern drang der Geruch von frisch Gekochtem, und gemütliche Tavernen lockten Menschen wie Harm und mich. Ich wünschte nur, wir hätten uns einfach hinsetzen und gemeinsam ein herzhaftes Mahl genießen können. Ich hatte geglaubt, Harm sei endlich in sicherem Fahrwasser, und mit diesem Gedanken hatte ich mich getröstet, wann immer ich daran gedacht hatte, dass ich Bocksburg schon bald verlassen musste. Ich stellte eine Frage, die unvermeidbar und dumm zugleich war. »Kannst du dir vorstellen, dich eine Weile nicht mit ihr zu treffen?«
»Nein«, antwortete Harm. Dann blickte er nach vorne und sagte: »Das kann ich nicht, Tom. Ich kann sie ebenso wenig aufgeben, wie ich das Atmen, Trinken oder Essen aufgeben könnte.«
Dann nannte ich meine Angst beim Namen: »Ich mache mir Sorgen, dass du ihretwegen in Schwierigkeiten geraten könntest, während ich fort bin, Harm. Dabei denke ich nicht nur an eine Prügelei mit Reften wegen des Mädchens, auch wenn das schon schlimm genug wäre. Meister Hirschhorn hat für uns beide nicht sonderlich viel übrig. Sollte er zu dem Schluss kommen, dass du seine Tochter kompromittiert hast, wird er vielleicht versuchen, sich an dir zu rächen.«
»Mit ihrem Vater werde ich schon fertig«, entgegnete Harm schroff, und ich spürte, wie sich seine Schultern wieder versteiften.
»Und wie? Indem du dich von ihm verprügeln lässt? Oder in dem du ihn zusammenschlägst? Vergiss nicht, dass ich schon mit ihm gekämpft habe, Harm. Er wird weder um Gnade betteln noch sie gewähren. Hätte die Stadtwache nicht eingegriffen, hätte unser Kampf angedauert, bis einer von uns bewusstlos oder gar tot gewesen wäre. Und selbst falls es nicht dazu kommen sollte, gibt es noch anderes, was er tun kann. Er könnte zu Gindast gehen und sich darüber beschweren, dass es seinem Lehrling an Moral mangelt. Und
Weitere Kostenlose Bücher