Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet
Schneiderei vorbei, die einst eine Kerzenmacherwerkstatt gewesen war, wo Molly gearbeitet hatte. Ich schüttelte den Kopf über mich selbst und drehte in Richtung Docks ab. Im Hafen zählte ich, wie viele Schiffe von den Äußeren Inseln an der Mole lagen, wie viele aus Bingtown, Jamaillia oder jenseits davon und wie viele von unseren eigenen. Die Docks waren länger und bevölkerter als in meinen Kindheitserinnerungen, und die Zahl fremdländischer Schiffe war genauso hoch wie die einheimischer. Als ich an einem von ihnen vorüberkam, hörte ich einen Outislander seinen Kameraden einen derben Scherz zurufen, die darauf mit einem wilden Grölen antworteten. Ich war zufrieden, dass ich ihren Worten folgen konnte.
Die Schiffe, die uns auf die Äußeren Inseln bringen würden, lagen am Hauptkai vertäut. Ich verlangsamte meinen Schritt, um ihre Takelage zu betrachten. Das Beladen der Schiffe hatte man für die Nacht eingestellt, doch auf den Decks waren Wachen postiert. Hier, im Hafen, sahen die Schiffe groß aus, doch ich wusste, wie klein sie nach ein paar Tagen auf See werden würden. Neben dem Schiff, das den Prinzen und sein Gefolge aufnehmen würde, gab es noch drei weitere für die niederen Adeligen mit ihrem Gepäck und eine Ladung von Geschenken und Handelsgütern. Das Schiff, auf dem Prinz Pflichtgetreu segeln würde, hieß
Maidenglück.
Es handelte sich um ein älteres Gefährt, das seine Seetüchtigkeit bereits unter Beweis gestellt hatte. Nun, da sie frisch gestrichen und mit neuen Segeln versehen worden war, sah sie jedoch aus, als wäre sie gerade erst vom Stapel gelaufen. Da sie als Kauffahrer gebaut worden war, besaß sie eine erhöhte Ladekapazität und Stabilität, allerdings auf Kosten ihrer Geschwindigkeit: Ihr Rumpf war so rund wie der Bauch einer trächtigen Sau. Ihr Vorderkastell war vergrößert worden, um den edlen Passagieren eine adäquate Unterkunft zu bereiten. Auf mich wirkte sie ein wenig buglastig, und ich fragte mich, ob der Kapitän wohl mit den Umbauten einverstanden war, die man für die Bequemlichkeit des Prinzen vorgenommen hatte. Ich fragte mich, ob Chade dem Quartiermeister wohl einen Platz für mich abtrotzen würde, oder ob ich mich wie der Rest der Soldaten mit dem würde zufrieden geben müsste, was auch immer ich fand. Aber egal, sagte ich mir, was auch immer es sein mochte, ich würde damit zurechtkommen müssen. Ich wünschte mir nur, dass wir diese Reise gar nicht erst unternehmen würden.
Mir war noch immer jene Zeit im Gedächtnis, da ich jeder Reise entgegengefiebert hatte, egal wohin sie ging. Am Tag des Aufbruchs war ich stets voller Enthusiasmus ob des bevorstehenden Abenteuers aufgestanden. Ich war immer bereit gewesen loszuziehen, während andere noch verschlafen aus ihren Betten gekrochen waren.
Ich wusste nicht, wann ich diese überschwängliche Liebe zum Reisen verloren hatte, aber sie war definitiv verschwunden. Nun war ich nicht im Mindesten aufgeregt, sondern empfand stattdessen eine wachsende Furcht. Allein der Gedanke an die bevorstehende Fahrt, die Tage auf beengtem Raum, während wir gen Nordosten segelten, ließen mich schon wünschen, dass ich mich irgendwie vor dieser Expedition drücken könnte. Was uns erwartete, daran wollte ich gar nicht denken: das zweifelhafte Willkommen der Outislander und ein längerer Aufenthalt in einem Land aus Eis und Steinen. Dass wir dann auch noch einen im Eis gefangenen Drachen finden und ihm den Kopf abschlagen sollten, vermochte ich mir noch nicht einmal vorzustellen. Tatsächlich grübelte ich schon fast jede Nacht darüber, was für eine seltsame Aufgabe die Narcheska dem Prinzen gestellt hatte, um sich ihrer Hand als würdig zu erweisen.
Als ich nun durch die windigen Straßen von Burgstadt wanderte, dachte ich wieder über meine größte Angst nach. Mehr als alles andere fürchtete ich den Augenblick, da der Narr herausfand, dass ich Chade seine Pläne verraten hatte. Ich hatte mein Bestes getan, um meinen Streit mit dem Narren beizulegen, seitdem aber nur wenig Zeit mit ihm verbracht. Teilweise mied ich ihn aus Angst, dass ein Blick oder eine Geste ihm meinen Verrat offenbaren könnte; größtenteils war es jedoch der Narr, der mir aus dem Weg ging.
Fürst Leuenfarb, wie er sich nun nannte, hatte sein Auftreten vor kurzem beachtlich geändert. Bis dato hatte sein Vermögen ihm die extravaganteste Garderobe und den exquisitesten Besitz gestattet. Nun stellte er seine vulgärere Seite zur Schau. Er warf mit
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