Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet
unumkehrbar.
»Ein Verwandelter? Doch sicher nicht!« Die erstaunte Reaktion des Narren riss mich aus meinen Erinnerungen. Er schüttelte den Kopf. »Nein, Fitz. Das war kein Verwandelter, eher das genaue Gegenteil - falls so was denn möglich ist. Ich habe in ihm die Last von hundert Leben gefühlt, die Bedeutung von einem Dutzend Helden. Er ... >verschiebt< das Schicksal... fast so wie du.«
»Ich verstehe nicht«, erwiderte ich nervös. Ich hasste es, wenn der Narr so sprach. Er wiederum liebte es.
Der Narr beugte sich vor, und seine Augen funkelten vor Leidenschaft. Während er sprach, nahm er den Kessel von der Ölflamme und schenkte heißes Wasser in Becher und Schüssel. Der Duft von Ingwer und Zimt wehte zu mir herüber. »In jedem einzelnen Augenblick bietet sich uns eine wahre Fülle von Möglichkeiten. Man gewöhnt sich so sehr daran, dass man bisweilen innehalten und sich daran erinnern muss, dass man eine Wahl trifft, selbst wenn es nicht danach aussieht. Jeder Atemzug ist eine Wahl. Manchmal wird man aber auch zwangsweise daran erinnert. Manchmal trifft man auf eine Person, die so voller Möglichkeiten und Potential ist, das allein schon ihre Existenz einen Schlag gegen die Realität darstellt. Du bist zum Beispiel für mich immer noch so jemand. Die schiere Unwahrscheinlichkeit deiner Existenz hat mir den Atem verschlagen. Ich habe nur verhältnismäßig wenige zukünftige Welten entdeckt, in denen du überhaupt existierst. In den meisten Fällen bist du als Kind gestorben. In anderen ... Nun, ich denke, ich muss dir nicht all die verschiedenen Arten erklären, auf die du ums Leben gekommen bist. Wie viele Male bist du schon auf unmöglichste Art dem Tod im letzten Augenblick von der Schippe gesprungen? Ich kann dir sagen, Fitz, dass du in anderen Zeiten, parallel zu unserer, in diesen Augenblicken gestorben bist. Doch hier bist du, noch immer bei mir, und trotzt der Unwahrscheinlichkeit deines Lebens mit deiner Existenz. Und durch deine Existenz, mit jedem Atemzug, veränderst du die Zeit. Du bist wie ein Keil, den man in trockenes Holz treibt. Mit jedem Herzschlag wirst du tiefer in das hineingetrieben >was sein kann<, und je weiter du kommst, desto mehr brichst du die Zukunft auf und eröffnest hundert, tausend neue Möglichkeiten, von denen sich jede wieder in hundert, tausend neue aufspaltet.« Der Narr hielt kurz inne, um Atem zu holen. Als er meinen mürrischen Gesichtsausdruck sah, lachte er laut auf. »Ob es dir nun gefällt oder nicht, mein Katalyst, so ist das nun einmal. Und genauso hat der Schwarze Mann sich für mich angefühlt! So viele Möglichkeiten schimmerten durch ihn hindurch, dass ich ihn kaum sehen konnte. Er ist noch unwahrscheinlicher als du!« Er zog sich ein schwarzes Taschentuch aus dem Ärmel und wischte sich damit die letzten Blutreste aus dem Gesicht und von den Händen. Dann faltete er es vorsichtig zusammen, mit dem Blut nach innen, und ließ es wieder in seinem Ärmel verschwinden. Schließlich legte er sich erneut auf seiner Pritsche zurück und starrte zu den Schatten an der Zeltdecke. »Und ich habe nicht die geringste Ahnung, wer oder was er sein könnte. Ich habe ihn nie gesehen. Was hat das zu bedeuten? Hat erst unser Kommen es ihm ermöglicht, die Zukunft zu beeinflussen?«
Er nahm die dampfende Schüssel und bot sie mir mit den entschuldigenden Worten an: »Ich habe nur einen Becher mitgebracht. Ich wollte nur mit leichtem Gepäck reisen, weißt du?« Ich nahm sie entgegen und freute mich über die Wärme an meinen Händen. Dann erinnerte ich mich daran, dass in den Sechs Provinzen Sommer herrschte. Sommer ... Hier auf den Äußeren Inseln bekam das Wort eine ganz neue Bedeutung, vor allem auf diesem Gletscher. Der Narr nahm sich den Becher, schaute sich um und legte die Stirn in Falten. »Du hast meinen Honig genommen, stimmt's? Du hast ihn nicht zufällig bei dir, oder? Er betont den Ingwergeschmack und macht den Tee angenehmer.«
»Tut mir Leid. Ich habe ihn in meinem Zelt gelassen ... Nein, das ist nicht ganz richtig. Ich habe ihn vergangene Nacht am Feuer gelassen, und heute Morgen war er verschwunden.« Ich hielt kurz inne, denn ich hatte das Gefühl, als hätte ich soeben einen Schlüssel im Schloss herumgedreht. »Oder jemand hat ihn sich genommen«, fügte ich hinzu. »Narr, die Outislander haben Gaben für den Schwarzen Mann ausgelegt. Er hat sie nicht angenommen, doch Honig war eines der Dinge, die sie ihm angeboten haben. Und deiner hat heute
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