Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet
Geld um sich wie ein Diener, der sich den Dreck von den Kleidern schüttelt. Zusätzlich zu seinen Gemächern in der Burg hatte er nun auch das gesamte obere Stockwerk des »Silbernen Schlüssels« gemietet, eines Gasthofs in der Stadt, der bei den Wohlhabenderen einen guten Ruf genoss. Dieses modische Etablissement klebte wie eine Schnecke an einem Steilhang, den man in meiner Kindheit noch als äußerst schlechten Bauplatz betrachtet hätte. Allerdings genoss man aus dieser luftigen Höhe einen wunderbaren Blick über die Stadt und das Meer dahinter.
In diesem Etablissement beschäftigte Fürst Leuenfarb seinen eigenen Koch und seine eigene Dienerschaft. Gerüchte über die seltenen Weine und die exotischen Speisen, die er servieren ließ, machten seinen Tisch gar dem der Königin überlegen. Wenn er mit einigen Auserwählten dinierte, rangen die besten Barden und Künstler der Sechs Provinzen um seine Aufmerksamkeit. Es war nichts Ungewöhnliches, dass er einen Barden, einen Akrobaten und einen Jongleur gleichzeitig auftreten ließ, wenn auch in verschiedenen Ecken des Raums. Solchen Mahlzeiten folgten stets Glücksspiele, wobei die Einsätze so hoch waren, dass nur die reichsten und verschwenderischsten unter den jungen Adeligen daran teilnehmen konnten. Fürst Leuenfarbs Tage begannen spät und endeten mit der Morgendämmerung.
Außerdem hieß es, dass sein Gaumen nicht der einzige Sinn sei, den er verwöhnte. Wann immer ein Schiff anlegte, das einen Zwischenstopp in Bingtown, Jamaillia oder auf den Pirateninseln eingelegt hatte, brachte es einen Besucher für ihn mit. Tätowierte Kurtisanen, ehemalige jamaillianische Sklaven, schlanke Jünglinge mit bemalten Augen, Frauen in Kriegerrüstungen und Seeleute. Sie alle kamen an seine Tür, blieben für ein paar Tage in seinen Gemächern und segelten dann wieder fort. Einige behaupteten, sie brächten ihm edelstes Rauchkraut und auch Gindin, ein Laster, das die Jamaillianer vor kurzem in Burgstadt eingeführt hatten. Andere wiederum erzählten sich, dass diese Gäste auch Fürst Leuenfarbs andere >jamaillianische Lüste< befriedigten. Jene, die es wagten sich nach diesen Leuten zu erkundigen, erhielten nur eine erhobene Augenbraue zur Antwort oder eine gespielt schüchterne Weigerung.
Es war seltsam, doch Fürst Leuenfarbs Exzesse schienen seine Popularität bei einer bestimmten Gruppe von Edelleuten der Sechs Provinzen nur noch zu vergrößern. So manch ein edler Jüngling wurde streng aus Bocksburg abberufen oder erhielt überraschenden Besuch von einem Elternteil, das sich ob der Unsummen an Gold sorgte, welche das Hofleben zu kosten schien. Die konservativeren Fürsten knurrten, dass der Fremde die Jugend von Bocksburg vom rechten Pfad abbringe; tatsächlich nahm ich aber auch bei ihnen eher eine lüsterne Faszination wahr, was Fürst Leuenfarbs Exzesse und Unmoral betraf. Man konnte deutlich mitverfolgen, wie die Geschichten immer weiter ausgeschmückt wurden, während sie vom einen zum anderen wanderten. Doch das Fundament einer jeden Geschichte bildete eine Wahrheit, die man nicht leugnen konnte. Fürst Leuenfarb war in ein Reich der Exzesse vorgestoßen wie seit Prinz Edel niemand mehr.
Ich konnte es nicht verstehen, und es bereitete mir große Sorgen. In meiner niederen Stellung als Tom Dachsenbless konnte ich eine solch hochgestellte Persönlichkeit wie Fürst Leuenfarb nicht offen ansprechen, und er kam nicht zu mir. Selbst wenn er eine Nacht in der Burg verbrachte, waren seine Gemächer bis zum Morgengrauen voller Gäste und Gaukler. Manche behaupteten, er wäre in die Stadt gezogen, um jenen Orten näher zu sein, wo er dem Glücksspiel und anderen lasterhaften Unterhaltungen frönen konnte; ich jedoch vermutete, dass er sich so der Beobachtung durch Chade entziehen wollte, und dass seine fremdländischen Gäste nicht seiner Lust dienten, sondern in Wahrheit seine Spione und Boten aus dem Süden waren. Ich fragte mich, welche Nachrichten sie ihm wohl brachten, und warum er so versessen darauf war, seinen Ruf zu ruinieren und sein Geld zum Fenster hinauszuwerfen? Und mit welchen Botschaften schickte er diese Leute wieder nach Bingtown und Jamaillia?
Diese Fragen waren genauso sinnlos wie die, die ich mir über die Gründe der Narcheska stellte, aus denen sie Prinz Pflichtgetreu dazu aufgefordert hatte, den Drachen Eisfeuer zu erschlagen. Es gab keine klaren Antworten darauf -jedenfalls nicht für mich -, und anstatt mich des Nachts damit zu
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