Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet
beschäftigen, hätte ich lieber schlafen sollen. Ich blickte zu den vergitterten Fenstern des Silbernen Schlüssels hinauf. Die oberen Kammern waren in dieser Nacht hell erleuchtet, und ich sah Gäste vor den Fenstern vorbeihuschen. Auf dem Balkon unterhielten sich eine Frau und ein junger Mann angeregt miteinander. Ich hörte den Rausch des Weins in ihren Stimmen. Zunächst sprachen sie nur leise, doch dann hoben sie abwechselnd die Stimmen. Ich bückte mich, als wollte ich mir die Schuhe zubinden, und lauschte.
»Ich habe eine wunderbare Möglichkeit entdeckt, Fürst Grünspan die Börse zu leeren, doch nur wenn ich genügend Geld zum Setzen habe. Gib mir sofort, was du mir schuldest !«, verlangte der junge Mann.
»Das kann ich nicht.« Die Frau sprach in dem typisch vorsichtigen Tonfall eines Menschen, der sich weigert, seine Trunkenheit einzugestehen. »Ich habe es nicht, Jüngelchen. Aber bald. Wenn Fürst Leuenfarb mir zahlt, was er mir vom gestrigen Spiel schuldet, werde ich es dir sofort geben. Hätte ich gewusst, dass du solch ein Wucherer bist, hätte ich es mir nie von dir geborgt.«
Der junge Mann stieß einen leisen Schrei der Wut und der Verzweiflung aus. »Wenn Fürst Leuenfarb dir seine Spielschulden zahlt? Da könntest du genauso gut >nie< sagen. Jeder weiß, dass er seine Schulden nicht begleicht. Hätte ich gewusst, dass du das Geld gegen ihn einsetzen willst, hätte ich es dir nie geliehen.«
»Das zeigt nur deine Ignoranz«, tadelte die Frau den jungen Mann nach einem kurzen, entsetzten Schweigen. »Alle wissen, dass sein Reichtum keine Grenzen kennt. Sobald das Nächste Schiff aus Jamaillia einläuft, wird er genug Geld haben, um uns alle zu bezahlen.«
Ich duckte mich tiefer in den Schatten an der Ecke des Gasthofs und hörte aufmerksam zu.
»Wenn das nächste Schiff aus Jamaillia einläuft - was wohl nie geschehen wird, so wie der Krieg für sie läuft -, wird es so groß wie ein Berg sein müssen, um all das Geld zu transportieren, das er uns jetzt schon schuldet! Hast du nicht gehört, dass er sogar mit seiner Miete im Rückstand ist, und dass der Wirt ihn nur bleiben lässt, weil er so viele andere Kunden bringt?«
Bei diesen Worten wandte die Frau sich wütend von ihm ab, doch der junge Mann packte sie am Handgelenk. »Hör zu, du dummes Mädchen! Ich warne dich. Ich warte nicht lange auf das, was man mir schuldet. Du solltest besser eine Möglichkeit finden, mich zu bezahlen, und zwar heute noch.« Er musterte sie von Kopf bis Fuß und fügte heiser hinzu: »Es müssen ja nicht nur Münzen sein.«
»Ah, Lady Heliotrop, da seid Ihr ja. Ich habe Euch schon gesucht, Ihr kleines Biest! Seid Ihr mir etwa aus dem Weg gegangen?«
Der gemächliche Tonfall von Fürst Leuenfarb hallte zu mir herunter, als er den Balkon betrat. Das Licht von drinnen ließ sein Haar schimmern und betonte seine schlanke Gestalt. Er trat an den Rand des Balkons, stützte sich aufs Geländer und ließ seinen Blick über die Stadt schweifen. Der Mann ließ die Frau sofort los, und sie warf den Kopf zurück, trat von ihm weg und ging zu Fürst Leuenfarb. Sie legte den Kopf zur Seite und klang wie ein plapperndes Kind, als sie sich beschwerte: »Mein lieber Fürst Leuenfarb, Fürst Fähig hat mir gerade erklärt, dass es äußerst unwahrscheinlich sei, dass Ihr Eure Schulden bei mir begleicht. Sagt ihm, wie sehr er sich irrt!«
Fürst Leuenfarb hob die Schultern. »Wie die Gerüchte sich doch überschlagen, wenn man nur einen Tag mit der Bezahlung einer in Freundschaft gemachten Spielschuld im Rückstand ist. Man sollte nie mehr wetten, als man sich leisten kann zu verlieren ... oder so viel, dass man ohne es nicht mehr zu leben vermag. Stimmt Ihr mir da nicht zu, Fürst Fähig?«
»Vielleicht sollte man auch nicht mehr wetten, als man
sofort
bezahlen kann«, erwiderte Fürst Fähig in schneidendem Tonfall.
»Ach , mein Lieber. Sollen wir unsere Einsätze etwa auf das begrenzen, was ein Mann in seiner Tasche tragen kann? Das wäre dann doch recht armselig. Aber wie auch immer: Warum, werte Dame, glaubt Ihr wohl, dass ich Euch gesucht habe, wenn nicht, um meine Schulden zu begleichen? Hier. Ich denke, damit wäre der Großteil abgegolten. Ich hoffe, es macht Euch nichts aus, wenn ich Euch mit Perlen statt mit Münzen bezahle.«
Lady Heliotrop drehte sich zu Fürst Fähig herum und schob trotzig das Kinn vor. »Es macht mir nicht im Mindesten etwas aus, Fürst Leuenfarb. Und sollte es doch jemandem etwas
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