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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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hielt den Teebecher mit beiden Händen und blickte mich über den Rand hinweg an. »Bleibt denn niemand zurück, den du bitten könntest, ein Auge auf Harm zu werfen?«
    Ich unterdrückte den Impuls zu sagen: »Wie wäre es mit dir?« Stattdessen schüttelte ich nur den Kopf. »Niemand, den ich gut genug kenne, um ihm diese Aufgabe anzuvertrauen. Kettricken bleibt natürlich hier, aber es wäre wohl kaum angemessen, die Königin zu bitten, sich um den Sohn eines einfachen Gardisten zu kümmern. Und was Jinna betrifft: Selbst wenn wir uns nicht gestritten hätten, würde ich ihrem Urteil nicht mehr trauen.« Verzweifelt fügte ich hinzu: »Manchmal ist es schon entmutigend, wenn ich mir überlege, wie wenigen Menschen ich wirklich vertraue. Oder wie wenige ich wirklich kenne - als Tom Dachsenbless, meine ich.« Ich schwieg einen Augenblick und dachte darüber nach. Tom Dachsenbless war eine Fassade, eine Maske, die ich täglich trug, und doch war mir dieses Alter Ego niemals wirklich vertraut geworden. Es gefiel mir nicht, solch gute Menschen wie Wim oder Laurel zu täuschen. Meine Rolle als Tom Dachsenbless war eine Mauer, die jegliche echte Freundschaft unmöglich machte. »Wie machst du das?«, fragte ich den Narren unvermittelt. »Von Jahr zu Jahr und von Ort zu Ort veränderst du deine Identität. Bedauerst du denn nie, dass niemand den Menschen kennt, der du wirklich bist?«
    Der Narr schüttelte langsam den Kopf. »Ich bin nicht mehr die Person, die ich einst einmal war. Für dich gilt das Gleiche. Tatsächlich kenne ich niemanden, der das noch ist. Das Einzige, was wir je von anderen kennen werden, sind Facetten, Fitz. Und wenn wir genügend Facetten einer Person gesehen haben, glauben wir vielleicht, einander vertraut zu sein. Vater, Sohn, Bruder, Freund, Liebhaber, Ehemann ... ein Mann kann all das sein, und doch spielt er immer nur eine Rolle; sein wirkliches Ich kennt niemand. Ich sehe dich als Harms Vater, und doch kenne ich dich nicht, wie ich meinen Vater gekannt habe, und ihn wiederum habe ich nicht so gekannt, wie es sein Bruder getan hat. So. Wenn ich mich in einem anderen Licht darstelle, ist das nicht gespielt; in Wahrheit zeige ich der Welt schlicht einen anderen Aspekt von mir, den sie bis jetzt noch nicht gesehen hat. In meinem Herzen bleibt jedoch ein Platz, wo ich für immer der Narr und dein Spielgefährte sein werde. Und dort in mir ist auch ein echter Fürst Leuenfarb, der gutes Essen und guten Wein ebenso genießt wie elegante Kleidung und eine geistreiche Konversation. Wenn ich mich so zeige, dann täusche ich niemanden, sondern teile nur einen anderen Teil von mir mit der Welt.«
    »Und Amber?«, fragte ich und wunderte mich dann, wie ich es überhaupt hatte wagen können, diese Frage zu stellen.
    Der Narr blickte mir in die Augen. »Sie ist auch eine Facette von mir, mehr nicht... aber auch nicht weniger.«
    Ich wünschte, ich hätte das nicht zur Sprache gebracht, und so lenkte ich unser Gespräch auf das ursprüngliche Thema zurück. »Nun, all das hilft mir auf jeden Fall nicht dabei, jemanden zu finden, der für mich auf Harm aufpasst.«
    Der Narr nickte, und wieder folgte ein kurzes Schweigen.
    »Nun, ich bedauere, dass ich zu solch einem schlechten Zeitpunkt zu dir gekommen bin«, sagte er schließlich. »Ich weiß, dass du dich bald mit Flink treffen musst. Vielleicht haben wir vor unserem Aufbruch ja noch einmal Gelegenheit, miteinander zu reden.«
    »Er kann ruhig auf mich warten«, hörte ich mich plötzlich sagen. »Das wird ihm nicht schaden.«
    »Danke«, sagte der Narr und griff nach einer der zusammengerollten Karten. »Ist das Aslevjal?«, fragte er und breitete die Karte auf dem Tisch aus.
    »Nein. Das ist Skyrene. Zylig wird unser erster Hafen sein.«
    »Was ist das da?« Er deutete auf eine Schneckenverzierung am Ufer der Insel.
    »So schmücken die Outislander ihre Karten - glaube ich zumindest. Vielleicht bezeichnet es aber auch die Lage eines Strudels, eines Strömungswechsels oder einer Seetangfläche. Ich weiß es nicht. Offenbar betrachten sie viele Dinge anders als wir.«
    »Ohne Zweifel. Hast du auch eine Karte von Aslevjal?«
    »Die kleinere, die mit dem braunen Fleck am Rand.«
    Der Narr entrollte sie neben der anderen und ließ seinen Blick darüber schweifen. »Ich sehe, was du meinst«, murmelte er und fuhr mit dem Finger das filigrane Muster der Küstenlinie entlang. »Was, glaubst du, ist das?«
    »Ein schmelzender Gletscher ... zumindest hält Chade es

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