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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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den er auf diese Art behandelt hat. Ich versuche, Mitleid mit ihm zu empfinden, doch wenn ich daran denke, was du hättest sein können, wärst du von klein auf ordentlich erzogen worden ...«
    »Er hat mich gut erzogen!«, schnappte ich. »Er hat mich zu sich genommen, als niemand mich haben wollte, und ich werde nicht tatenlos zuhören, wenn jemand schlecht über ihn redet.«
    Web trat einen Schritt von mir zurück. Ein Schatten huschte über sein Gesicht. »Da ist Mord in deinen Augen«, murmelte er.
    Bei diesen Worten hatte ich das Gefühl, als hätte mir jemand einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf geschüttet; aber bevor ich fragen konnte, was er damit gemeint hatte, nickte Web mir ernst zu. »Vielleicht werden wir noch einmal darüber sprechen. Später.« Und er drehte sich um und ging fort von mir. Ich erkannte seinen Gang. Das war keine Flucht. Das war die Art, wie Burrich sich von einem Tier zurückzuziehen pflegte, das durch schlechte Behandlung bösartig geworden war und behutsam ausgebildet werden musste. Ich fühlte mich beschämt.
    Ich setzte mich wieder neben Dick, lehnte mich erneut gegen die Reling und schloss die Augen. Vielleicht konnte ich ja ein wenig dösen, während er schlief; doch kaum hatte ich die Augen geschlossen, da bedrohte mich sein Albtraum. Die Augen zu schließen war, als würde ich in den lauten, verrauchten Schankraum einer billigen Taverne hinuntersteigen. Dicks Übelkeit erregende Musik wirbelte in meinem Geist herum, während seine Ängste das Schaukeln des Schiffes in eine chaotische Folge von Sprüngen verwandelte. Ich öffnete die Augen wieder. Schlaflosigkeit war besser, als von diesem üblen Traum verschlungen zu werden.
    Sieber brachte mir eine Schüssel salzigen Eintopf und einen Becher wässrigen Biers, während Dick noch immer vor sich hin döste. Sieber brachte auch seine eigene Ration mit, vermutlich, um sie an Deck zu genießen anstatt in der Enge unter Deck. Als ich mich anschickte, Dick zu wecken, um das Essen mit ihm zu teilen, hielt Sieber mich davon ab. »Lass den armen Deppen schlafen. Wenn ihm das gelingt, wird jeder Mann unten ihn beneiden.«
    »Wie das?«
    Sieber zuckte traurig mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Vielleicht liegt es nur an der Enge, aber die Männer sind gereizt, und nicht einer kann richtig schlafen. Die Hälfte von ihnen isst erst gar nichts aus Angst, das Essen würde nicht unten bleiben, und ein paar sind immerhin schon viel gereist. Sollte man doch einmal einnicken, schreit irgendjemand im Traum, und sofort ist man wieder wach. Vielleicht werden die Dinge sich in ein paar Tagen wieder beruhigen. Im Augenblick würde ich aber lieber in eine Grube voller knurrender Kampfhunde steigen als wieder da runter. Gerade eben erst ist es zu zwei Schlägereien gekommen, weil man sich nicht hat einigen können, wer als erster ans Essen darf.«
    Ich nickte wissend und versuchte, mir meine Sorge nicht anmerken zu lassen. »Ich bin sicher, in ein, zwei Tagen hat sich das wieder gelegt. Die ersten paar Tage einer Reise sind immer schwer.« Ich log, ohne rot zu werden. Normalerweise waren die ersten Tage einer Reise die besten, wenn alles noch neu war. Dicks Träume vergifteten den Schlaf der Soldaten. Ich bemühte mich, so freundlich wie möglich zu sein, während ich darauf wartete, dass Sieber verschwand. Kaum hatte er das leere Geschirr genommen und war gegangen, da beugte ich mich zu Dick und schüttelte ihn wach. Der kleine Mann setzte sich mit einem Jammern auf wie ein kleines Kind.
    »Schschsch«, versuchte ich, ihn zu beruhigen. »Dir ist nichts passiert. Dick, hör mir zu. Nein, schschsch. Sei still und hör mir zu. Das ist wichtig. Du musst mit deiner Musik aufhören oder sie zumindest leiser machen.«
    Dicks Gesicht wurde runzelig wie eine Dörrpflaume; er war verletzt und wütend, Gefühle, die ich gerade so grob in ihm geweckt hatte. Ihm standen die Tränen in den kleinen, runden Augen. »Ich kann nicht!«, heulte er. »Ich werde sterben !«
    Die Männer drehten sich zu uns um und verzogen die Gesichter. Einer murmelte wütend vor sich hin und machte das Zeichen gegen den bösen Blick. Unterbewusst kannten sie die Ursache für ihr Unwohlsein. Dick wand sich, während ich mit ihm redete, doch er weigerte sich beharrlich, sein Lied leiser zu machen oder gegen seine Seekrankheit und Angst anzugehen. Ich wurde mir der Stärke von Dicks wildem Gebrauch der Gabe erst bewusst, als ich durch die Kakophonie seiner Gefühle hindurch den

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