Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache
Wandler, und seine Aufgabe ist es, den Weg zu sehen und dich zu leiten. Das hat du getan, und ein neuer Pfad ist entstanden. Er zahlt den Preis dafür.« Seine Stimme sank, doch nicht vor Trauer, sondern schlicht aus Akzeptanz des Unvermeidbaren. Ich neigte den Kopf ob seiner Worte.
Er klopfte mir auf die Schulter, und ich blickte zu ihm auf. Sein Lächeln war uralt. »Und es geht weiter«, versicherte er mir. »Weiter zu neuen Zeiten! Neue Wege jenseits aller Visionen. Dies ist eine Zeit, die ich nie sah, und auch sie nicht, die mich verraten hat. Das hat sie nie gesehen. Nur dein Prophet hat diesen Weg gesehen! Der neue Weg jenseits des auferstandenen Drachen.« Er stieß einen lauten Seufzer aus. »Der Preis war hoch für dich, aber er ist gezahlt worden. Geh. Finde, was von ihm übrig ist. Ihn hier zu lassen...« Der uralte Mann schüttelte den Kopf. »Das soll nicht sein.« Er deutete wieder zur Tür. »Geh, Wandler, geh. Selbst jetzt wage ich es nicht, der Wandler zu sein. Solange du lebst, ist diese Aufgabe die deine. Jetzt geh.« Abermals deutete er auf meinen Rucksack und dann zur Tür. Er lächelte.
Dann, ohne ein weiteres Wort, ließ er sich auf den Schlafdecken des Narren nieder und streckte sich vor dem Feuer aus.
Ich fühlte mich seltsam hin und her gerissen. Ich war müde, und der Schwarze Mann vermochte genauso eine Insel der Ruhe zu schaffen, wie es der Narr immer getan hatte. Und doch ... gerade dieser Vergleich weckte das Verlangen in mir, alles so rasch wie möglich zu einem endgültigen Abschluss zu bringen. Ich wünschte, ich hätte Dick noch sagen können, dass ich ihn hier zurücklassen würde. Doch irgendwie glaubte ich nicht, dass es ihn sonderlich beunruhigen würde, wenn er hier aufwachte und ich nicht mehr da war.
Ihn zurückzulassen kam mir unvermeidlich vor. Ich zog meinen noch immer kalten Mantel an und warf mir den Rucksack über die Schulter. Noch einmal schaute ich mich im winzigen Heim des Schwarzen Mannes um und konnte nicht anders, als es mit der eisigen Pracht des Reichs der Bleichen Frau zu vergleichen. Dann drohte mir abermals das Herz bei dem Gedanken daran zu brechen, dass mein Freund noch immer an diesem frostigen Ort lag. Leise trat ich in das tiefe Grau der Nacht hinaus und schloss die Tür hinter mir.
An einem abgelegenen Nebenarm des Flusses, nicht weit von der Stadt der Regenwildlinge, liegen riesige Stämme von dem, was man >Zaubererholz< nennt. Der Seemann hat mir erzählt, dass es sich dabei um eine Art Schale handelt, welche die Schlangen produzieren, wenn sie sieh in Drachen verwandeln. Diesem so genannten Holz schreibt man große magische Fähigkeiten zu. Artefakte daraus können irgendwann ein Eigenleben entwickeln. Es heißt, dass die lebendigen Schiffe der Bingtown-Händler ursprünglich aus diesem Holz gefertigt waren. Zu Staub zermalen soll es Liebenden gestatten, ihre Träume zu teilen. In höheren Dosen eingenommen ist es angeblich giftig. Als ich gefragt habe, warum man so etwas Wertvolles einfach im Flussbett liegen lasse, erklärte mir der Seemann, dass der Drache Tintaglia und sein Wurfes bewachen würden, als wäre es Gold. Auch nur einen winzigen Bruchteil davon zu stehlen, sei das Leben eines Mannes wert, sagte er mir. Mein Versuch, ihn dahingehend zu bestechen, erwies sich jedoch als vollkommener Fehlschlag.
Spionagebericht an Chade Irrstern, nicht unterzeichnet
Der Schwarze Mann hatte Recht. Keine Nacht konnte den Weg vor mir verbergen.
Dennoch war es eine Herausforderung, im Dunkeln über den schmalen Pfad am Felshang zu wandern. Kleine Rinnsale waren inzwischen über ihn hinweggelaufen, die nun zu Eis gefroren waren. Zweimal wäre ich fast gestürzt, und als ich unten angelangt war, blickte ich hinauf und staunte, dass ich die Strecke tatsächlich ohne Missgeschick geschafft hatte.
Und ich sah meinen Weg - oder zumindest den Anfang davon. Höher an der Felswand, über der Tür des Schwarzen Mannes, strahlte ein blasses Licht vom mit Eis bedeckten Stein aus. Ich schauderte ob der Furcht erregenden Vertrautheit dieses Lichts. Dann drehte ich mich mit einem Seufzer wieder zu dem steilen Fußweg um.
Selbst bei Tag wäre es ein waghalsiger Aufstieg gewesen. Die kurze Ruhepause in der Höhle des Schwarzen Mannes schien mich meiner Kraft eher beraubt zu haben, als dass sie sie wiederhergestellt hätte. Mehr als einmal dachte ich darüber nach, wieder in die Wärme seiner Behausung zurückzukehren und bis zum Morgen zu schlafen. Ich dachte
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