Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
Narren zum letzten Mal gesehen. Würde sein Leib noch immer in Ketten auf dem Boden liegen? Für einen Moment schwanden mir die Sinne, und schwarze Flecken tanzten vor meinen Augen. Ich blieb stehen, atmete langsam und wartete darauf, dass der Schwächeanfall vorüberging. Dann zwang ich meine Beine, mich weiterzutragen.
    Eine der großen Türen stand einen Spaltweit offen. Ein Berg aus Eis und Schnee war aus dem Raum in den Gang gedrungen. Bei diesem Anblick setzte mein Herz einen Schlag aus. Vielleicht würde meine Queste schon hier scheitern, wenn der gesamte Raum voller Eis und Schnee sein sollte. Der Schnee bildete eine Art Rampe in den Raum. Und die Tage und Nächte, die seit dem Einsturz vergangen waren, hatten den Schnee fest werden lassen. Nur das obere Drittel der Tür war frei geblieben. Ich kletterte den Schnee hinauf und spähte in den Saal. Einen Augenblick lang starrte ich ehrfürchtig in das gedämpfte blaue Licht.
    Genau in der Mitte des Raums hatte die Decke nachgegeben. Schnee und Eis waren von oben hereingefallen und hatten das Zentrum des Saals gefüllt, nicht aber den Bereich an den Wänden. Das Licht ging sowohl von ein paar verbliebenen Kugeln aus als auch von der Öffnung weit oben. Ich fragte mich, wie lange diese unnatürlichen Laternen wohl brennen mochten. War das die Magie der Bleichen Frau, oder waren auch sie Überreste der Uralten?
    Vorsichtig wie eine Ratte machte ich mich an die Erkundung des Raums und bewegte mich dabei am Rand entlang, wo der Schnee besonders flach war. Ich kletterte über Eisbrocken hinweg und fürchtete, dass mein Weg irgendwann gänzlich versperrt sein würde. Doch schließlich erreichte ich den Thron und sah, was von der großen Halle der Bleichen Frau übrig geblieben war.
    Das herabstürzende Eis hatte diesen Teil des Raums verschont. Unmittelbar vor dem Thron war die Lawine zum Stillstand gekommen. Er war umgestürzt und zerbrochen, doch ich vermutete, dass dies geschehen war, als der Steindrache zum Leben erwacht war. Er schien durch das Loch in der Mitte herausgekommen zu sein und sich kein eigenes gegraben zu haben. Die Überreste zweier Männer ragten aus der Lawine. Vielleicht waren es die beiden Krieger, mit denen Pflichtgetreu gekämpft hatte, oder vielleicht hatten sie dem Drachen schlicht im Weg gestanden, als dieser in die Schlacht gezogen war. Von der Bleichen Frau war keine Spur zu sehen. Ich hoffte, dass sie das Schicksal der Männer teilte.
    Gefallene Lichtkugeln erhellten diesen Teil des Raums nur flackernd. Alles war Eis und blauer Schatten. Ich ging um den umgestürzten Thron herum und versuchte, mich genau daran zu erinnern, wo man den Narren an den Drachen gekettet hatte. Es schien mir nun unmöglich zu sein, dass der Drache so groß gewesen war, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Vergeblich suchte ich nach Kettenstücken oder dem Leib meines Freundes. Schließlich kletterte ich auf die Eistrümmer und ließ von dieser erhöhten Position aus meinen Blick durch den Raum schweifen.
    Fast sofort entdeckte ich einen Wirbel vertrauter Farben und Formen. Mir drehte sich der Magen um, während ich langsam hinunterstieg und zu der Stelle ging. Ich starrte darauf hinunter, unfähig, so etwas wie Trauer zu empfinden. Stattdessen herrschten Entsetzen und Unglauben in meinem Herzen. Die Frostschicht konnte es nicht verbergen. Schließlich sank ich auf die Knie, aber ich kann mich nicht mehr daran erinnern, ob ich einfach nur besser sehen wollte, oder ob meine Knie unter mir nachgegeben hatten.
    Es sah aus wie ein zerknittertes Stück Stoff aus einem weggeworfenen Hemd. Drachen und Schlangen wanden sich auf dem bunten Stoff umeinander. Der Frost betonte die Formen nur noch. Ich musste es nicht berühren. Ich brachte es einfach nicht fertig, es anzufassen, aber das musste ich auch gar nicht, um zu wissen, dass es im Boden der Halle festgefroren war. Als die Körperwärme es verlassen hatte, war es tief ins Eis gesunken und mit ihm verschmolzen.
    Sie hatten ihm die tätowierte Haut vom Rücken gerissen.
    Ich kniete daneben, als wäre ich im Gebet versunken. Ohne Zweifel hatte man ihn sehr, sehr langsam gehäutet, um das Bild nicht zu beschädigen. Trotz der Art, wie es Falten warf, wusste ich, dass es sich um ein einheitliches Stück Haut handelte, um seinen gesamten Rücken. Ihn so abzuziehen war sicher nicht leicht gewesen. Ich wollte mir gar nicht erst vorstellen, wie sie den Narren gehalten haben müssten oder wer mit Freuden die Klinge geschwungen

Weitere Kostenlose Bücher