Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache
Fingern. Seine Folterer hatten die Krone zerbrochen, vermutlich während sie ihn geschlagen hatten, doch er hatte sie vor seinem Tod wieder repariert. Als ich sah, wie er das gemacht hatte, wie er sein eigenes gerinnendes Blut als Klebstoff benutzt hatte, schnürte es mir die Kehle zu. Die Krone hatte noch immer eine Lücke. Ich fragte mich, ob ihn das vor seinem Tod noch bedrückt hatte.
Ich holte aus meiner Tasche den Splitter, den die Männer der Bleichen Frau auf dem Boden des Thronsaals zurückgelassen hatten. Nur dieses eine Stück fehlte, um die Krone zu vervollständigen. Ich tunkte das Stück in sein Blut und setzte es ein. Das Blut klebte das Holz so gut zusammen, dass sie fast unversehrt aussah. Eigentlich wusste ich nicht genau, was dieser Schatz wirklich war. Aber was auch immer die Krone ihm bedeutet hatte, ich würde ihn mit ihr auf dem Haupt von dieser Welt verabschieden.
Nun legte ich sie jedoch erst einmal beiseite, um tote Zweige, Äste und Laub für den Scheiterhaufen zu sammeln. Der Abend dämmerte bereits, als er schließlich fertig war. Zum Schluss breitete ich meinen Mantel über ihn aus. Über uns schimmerte ein dunkelblauer Himmel, und der Sommer schien in Erwartung der ersten Sterne des Abends den Atem anzuhalten. Die Funken des Feuers würden sich zu ihnen gesellen. Ich hob den Narren hoch und legte ihn auf den Mantel. Aus Erfahrung wusste ich, dass Äste von Nadelbäumen besonders gut und lange brannten. Mit schwerem Herzen setzte ich mich auf einen Stein neben dem Scheiterhaufen, die Hahnenkrone auf meinem Schoß. Ihr fehlte nur noch eines, um komplett zu sein.
Ich nahm ein Päckchen aus meinem Rucksack. Vorsichtig entrollte ich seinen Inhalt. Eine nach der anderen holte ich die Federn vom Strand der Anderen heraus. Bei jeder einzelnen staunte ich wieder einmal über die hervorragende Handwerkskunst, mit der sie geschnitzt worden waren. Trotz des langen Weges, den sie mit mir zurückgelegt hatten, waren sie unversehrt geblieben. Warum jemand allerdings ein solch mattes Holz für so eine vorzügliche Arbeit verwendet hatte, entzog sich meinem Verständnis. Es war so schlicht und stumpf wie der Pfeil, den der Narr Flink gegeben hatte.
Es dauerte ein wenig, bis ich jede Feder an der richtigen Stelle angebracht hatte. Dabei bemerkte ich, was mir bis jetzt nie aufgefallen war: Jeder Federschaft war eingekerbt und passte exakt in die dafür vorgesehenen Öffnungen der Krone. Nachdem ich die letzte Feder befestigt hatte, schien es meinen müden Augen, als würde eine Welle von Farben über Krone und Federn hinwegfluten. Vielleicht war es aber auch nur ein Regenbogen, der sich kurz in den Tränen gefangen hatte, die Plötzlich meine Augen füllten. Ungeduldig wischte ich sie weg. Es war an der Zeit, die Sache zu Ende zu bringen.
Die Krone flüsterte unangenehm an meinen Fingern, als hielte ich eine Fliege in der Faust. Ich fragte mich, was ich in der Hand hatte. Was für eine machtvolle Magie der Uralten war darin gefangen und würde nun durch den Tod des Narren für immer dort bleiben? Einen Augenblick lang blieb mein Blick auf den Hahnenköpfen haften, welche die Krone zierten. Entweder war der Narr nie dazu gekommen, sie anzumalen, oder die Farbe war nicht haften geblieben. Nur in den tieferen Kerben der Schnitzerei waren noch Farbflecken zu sehen, und winzige Edelsteine funkelten in zwei geschnitzten Augen; die anderen waren leer. Dunkle Nähte waren dort zu erkennen, wo die Krone zerbrochen und mit dem Blut des Narren wieder geflickt worden war. Vorsichtig berührte ich eine dieser Nähte, um die Festigkeit der Verbindung zu überprüfen. Sie hielt, und plötzlich sprang er förmlich in meinen Geist. Meine Erinnerung an ihn war mit einem Mal so lebendig und vollkommen, dass ich das Gefühl hatte, es würde mir vor Trauer die Eingeweide zerreißen.
Ich setzte mich auf den Scheiterhaufen neben ihn. Nach wie vor war der Körper des Narren zur Verteidigung zusammengerollt. Daran konnte ich nichts ändern. Ich wünschte nur, ich hätte den Schmerz und das Entsetzen von seinem Gesicht nehmen können, bevor ich ihn auf seine letzte Reise schickte. Ich strich das goldene Haar von seiner lohfarbenen Stirn. »Oh, Geliebter«, sagte ich, beugte mich vor und küsste ihn zum Abschied auf die Stirn. Dann nannte ich ihn in Anerkennung des fremden Brauchs bei meinem eigenen Namen, denn wenn ich ihn verbrannte, wusste ich, dass auch ich enden würde. Der Mann, der ich gewesen war, würde diesen
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