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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Kordialen der Sechs Provinzen. Der geflügelte Bock war ein Drache der Sechs Provinzen - daran konnte kein Zweifel bestehen während jene, die mehr echten Drachen glichen, vermutlich von den Uralten geschaffen worden waren. Natürlich ging ich zuerst zu Veritas-als-Dra-che. Ich quälte mich nicht mit dem Versuch, ihn aus seinem steinernen Traum zu wecken. Ich zog mein Hemd aus und wischte das Laub von seiner Stirn, von seinem Rücken und den zusammengefalteten Flügeln. Bocksblau strahlte er im Sonnenlicht, nachdem ich ihn, der einst mein König war, poliert hatte. Nach allem, was ich in der letzten Zeit hatte ertragen müssen, wirkte die schlafende Kreatur nun geradezu friedlich auf mich. Ich hoffte, dass dem auch wirklich so war.
    Der Narr war natürlich zum Mädchen-auf-einem-Drachen gegangen. Als ich mich ihnen näherte, sah ich, wie er schweigend vor ihr stand, in einer Hand die Krone. Die andere Hand hatte er dem Drachen sanft auf die Schulter gelegt. Sein Gesicht war vollkommen ruhig, als er an der Figur des Mädchens hinaufblickte, die auf dem Drachen saß. Sie war atemberaubend schön. Ihr Haar war goldener als das des Narren, und es fiel ihr in wunderbaren Locken bis über die Schultern. Ihre Haut war wie Sahne. Sie trug das grüne Wams eines Jägers, doch ihre Beine und Füße waren nackt. Ihr Drache war prächtig mit seinen smaragdfarbenen Schuppen. Er hatte die lässige Eleganz einer schlafenden Jagdkatze. Als ich sie zum letzten Mal gesehen hatte, hatte sie auf dem Drachen geschlafen, die Arme um seinen Hals geschlungen. Nun saß sie aufrecht auf ihrem Reittier. Ihre Augen waren geschlossen, doch sie hatte das Gesicht gehoben, als könne sie die Sonnenstrahlen auf ihren Wangen spüren. Ihre Lippen zeigten ein schwaches Lächeln. Zertretene Pflanzen unter ihrem schlafenden Tier verrieten, dass sie erst vor Kurzem noch geflogen war. Sie hatte den Narren nach Aslevjal getragen und war dann wieder hierher zurückgekehrt, um neben ihren Brüdern und Schwestern zu schlafen.
    Ich glaubte, leise gewesen zu sein, doch als ich näher kam, wandte der Narr den Kopf und schaute mich an. »Erinnerst du dich noch daran, wie wir in jener Nacht versucht haben, sie zu befreien?«
    Ich senkte den Kopf. Ich schämte mich noch immer ein wenig dafür, dass ich damals so von jugendlichem Ungestüm besessen gewesen war.
    »Ich habe es seitdem immer bereut.« Ich hatte sie mit der Gabe berührt und geglaubt, sie so befreien zu können. Stattdessen hatte ich ihr nur Qualen bereitet.
    Der Narr nickte bedächtig. »Aber was ist mit dem zweiten Mal, als du sie berührt hast? Erinnerst du dich auch noch daran?«
    Ich seufzte. Das war in der Nacht gewesen, als ich auf Gabenwanderung gegangen war und gesehen hatte, wie Molly Burrich zum Mann genommen hatte. Später an jenem Abend hatte ich Veritas Leib getragen, denn er hatte sich meinen geborgt, um einen Sohn zu zeugen. So hatte Königin Kettricken ihren Sohn Pflichtgetreu bekommen. Ich hatte nicht gewusst, dass das seine Absicht gewesen war. Im schmerzenden Leib eines alten Mannes war ich durch den Erinnerungssteinbruch gewandert. Ich war gewandert, bis Nachtauge und ich auf den Narren bei seiner verbotenen Arbeit gestoßen waren. Er hatte an der Pfote des Drachen gearbeitet in dem Versuch, ihn fertig zu stellen, auf dass er frei sein möge. Er hatte mir Leid getan, so groß war sein Mitgefühl mit der Kreatur gewesen. Auch hatte ich gewusst, was es bedurfte, einen Drachen zu wecken: nicht nur die Arbeit geschickter Hände, sondern auch die Aufgabe des eigenen Lebens und der eigenen Erinnerungen, von Liebe, Schmerzen und Freude. Und so hatte ich Veritas' von der Gabe silberne Hände auf das steinige Fleisch des Mädchens-auf-einem-Drachen gelegt, und ich hatte all das Leid und den Schmerz meines kurzen Lebens in sie gegeben, auf dass sie es sich nehmen und zum Leben erwachen möge. Ich hatte dem Drachen gegeben, wie meine Eltern mich in die Hände Fremder gegeben hatten, und alles, was ich in Galens Händen und Edels Verliesen hatte ertragen müssen. Ich hatte dem Drachen diese Erinnerungen gegeben, weil er sie behalten und sich selbst damit formen sollte. Ich hatte ihr meine Einsamkeit als Kind gegeben und all die Qualen, die ich in jener Nacht erlitten hatte. All das hatte ich ihr freiwillig gegeben, und mein Schmerz ließ nach, während die Welt um mich herum verblasste und ich auch einen Teil meiner Liebe zu ihr verlor. Nachtauge hatte mich dafür getadelt und gesagt, dass er

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