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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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kamen, desto stärker wurde der Meeresgeruch und desto feuchter die Luft. Die Stufen wurden zunehmend schlüpfrig, und schon bald tasteten wir uns vorsichtig über einen Wasserfilm auf der eisigen Treppe. Irgendjemand hatte Sand auf die Stufen gestreut, doch der war zum großen Teil schon im Eis eingeschmolzen. Wir waren gezwungen, immer langsamer zu gehen. Kurz darauf schimmerten auch die Wände von Wasser, und Tropfen fielen von der Decke herab. Doch auch wenn der Wassergeruch immer stärker wurde, das Licht veränderte sich nicht. Nach wie vor wanderten wir durch das geisterhafte Glühen der Kugeln.
    Dann erreichten wir die letzte Stufe und erkannten die Sinnlosigkeit unserer Hoffnung. Jenseits des Eises befand sich blank gescheuerter schwarzer Stein, der steil bis zum schwarzen Sandstrand hinabfiel. Mehrere Metallhaken waren in den Stein getrieben, als würden dort bisweilen kleine Boote anlegen. Wellen schwappten dagegen und stiegen unbarmherzig höher. Und über uns in der Höhle, kaum sichtbar im blauen Schein der letzten der blassen Kugeln, befand sich eine Decke aus schimmerndem Eis.
    »Wenn wir ein Boot und Ebbe hätten, hätten wir eine Chance«, sagte ich.
    »Wenn«, entgegnete der Narr und kicherte. Ich schaute ihn entsetzt an. Er sah furchtbar aus, und das lag nicht nur an dem blauen Licht. Er nahm mir den Rucksack vom Arm und setzte sich damit auf die nassen Stufen. Einen Augenblick lang drückte er ihn an die Brust, wie ein Kind es mit einer Puppe machen würde. Dann öffnete er ihn und kramte nach der Branntweinflasche. Schließlich holte er sie heraus, öffnete sie und bot mir den ersten Schluck an.
    Ich nahm sie, wog sie in der Hand und trank dann mehr als ein Viertel davon. Es war der gleiche Aprikosenbranntwein, den der Narr immer in das Haus mitgebracht hatte, in dem Harm und ich gewohnt hatten. Ich schluckte die Wärme eines Sommertages, atmete dann mit offenem Mund aus und schmeckte Aprikosen und Freundschaft. Als ich die Flasche dem Narren zurückgab, nahm er sie entgegen und tauschte sie gegen ein Stück Schwarzbrot. Es war halb so groß wie meine Hand. Ich setzte mich neben den Narren und aß langsam. Rosinen und Nüsse waren in das Brot gebacken. Es war fest und süß und klein, und es gemahnte mich an den Hunger, den ich bis dahin geflissentlich ignoriert hatte. Schweigend aßen wir. Nachdem ich mir den letzten Krümel von der Hand geleckt hatte, schaute ich den Narren an. »Jetzt nach oben?«, fragte ich.
    »Da wird's auch nicht weitergehen«, erwiderte er leise. »Denk einmal darüber nach, wo wir sind, und erinnere dich an die Legenden, die wir von den Outislandern gehört haben.
    Hier sind sie unter das Eis gefahren, um sich ihn anzusehen. Die schmale Wendeltreppe muss zu Eisfeuer hinaufführen. Warum sollte sie sonst dort sein?«
    »Vielleicht führt sie ja doch nach oben und hinaus«, widersprach ich stur. »Ohne es zu versuchen, werden wir das nie herausfinden. Vielleicht führt ja der andere, breitere Gang zum Drachen. Das würde mehr Sinn ergeben.«
    Der Narr schüttelte den Kopf. »Nein. Wenn man ihn bisweilen von der Gletscheroberfläche aus sehen konnte, muss der Drache sich über uns befinden. Die Treppe führt zum Drachen, nicht hinaus.« Eisern beharrte er auf seiner Meinung. Er lehnte den Kopf jegen die vereiste Wand. »Für mich führt kein Weg hinaus. Und das habe ich schon immer gewusst.«
    Ich rappelte mich wieder auf. Mein Hinterteil war nass. » Steh auf«, befahl ich dem Narren.
    »Es ist sinnlos.«
    »Steh auf!«, wiederholte ich entschlossen, und als er sich daraufhin noch immer nicht rührte, packte ich ihn am Kragen und zog ihn in die Höhe. Er wehrte sich nicht, sondern warf mir nur einen traurigen Blick zu. »Wir sind über die Jahre hinweg so weit zusammen gegangen, haben so viele Wege gemeinsam beschritten, und wenn wir schon unter dem Eis von Aslevjal sterben sollen, dann will ich wenigstens den verdammten Drachen sehen, um dessentwillen wir hierher gekommen sind. Und für dich gilt das Gleiche.«
    Gibt es etwas Ermüdenderes als flache Stufen? Vielleicht schlüpfrige flache Stufen. Dennoch stiegen wir sie hinauf, und wie zuvor hielten wir uns dicht an der inneren Wand und lauschten auf jedes Geräusch, das uns verraten würde, dass jemand kam. Wir hörten das Rauschen der Wellen hinter uns schwächer werden und das gelegentliche Platschen eines fallenden Tropfens. Schließlich erreichten wir die Abzweigung wieder. Dort blieben wir erst einmal stehen,

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