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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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das ist auch schon alles. Sie kümmern sich um nichts und niemanden mehr. Sie denken nur noch an ihre eigenen Gelüste. Würde Sieber Hest dort verletzt und unbewacht auf dem Boden liegen lassen? Nein. Das ist nicht Sieber. Nicht mehr.«
    »Aber ... Wir müssen doch etwas tun«, flüsterte der Narr gequält.
    Ich seufzte. »Wenn wir diese Tür öffnen, werde ich sie töten müssen. Sie werden mich dazu zwingen, es sei denn, ich lasse mich von ihnen töten.«
    »Dann bleibt uns keine Wahl?«
    Ich lächelte bitter. »Man hat immer eine Wahl, nur manchmal eben keine gute. Entweder töte ich sie, oder sie töten uns ... oder wir gehen einfach weiter.«
    Der Narr schwieg eine Zeit lang. Dann wandte er sich von der Zellentür ab und ging langsam davon. Ich folgte ihm.
    In den Eisgängen fanden sich immer mehr Gebrauchsspuren. Der Boden sah ausgetreten und verdreckt aus, die Wände zerkratzt. Wir kamen noch an weiteren Verliesen vorbei, ähnlich dem ersten. Ich spähte in jedes einzelne hinein. Der Anblick machte mich krank, doch wir sprachen noch nicht einmal über die Menschen, die wir dort sahen. Bei den Gewandelten handelte es sich fast ausschließlich um Männer. Nur in einer Zelle fanden wir eine Frau, in einer anderen ein Mädchen, beide allein, und ihr Anblick ging mir besonders zu Herzen. In ihren Zellen war der Boden mit Stroh ausgelegt, und in den Ecken stand je eine Pritsche. Offensichtlich sollten die beiden möglichst lange am Leben erhalten werden. Das schien mir ein noch grausameres Schicksal zu sein als das von Sieber, Hest und ihren Gefährten. Zwar würden auch diese nicht sofort sterben, doch die Kälte konnte einen Mann genauso auffressen wie der Hunger. So würde ihr Leiden nicht allzu lange dauern. Hier sah das jedoch anders aus. Dem langen, ungekämmten Haar und den verdreckten Fingernägeln der Frau nach zu urteilen, war sie schon länger hier. In ein verfilztes Bärenfell gehüllt, kauerte sie in der Ecke und starrte gegen die Wand. In der Nachbarzelle pulte ein Mädchen von ungefähr sieben Jahren den Schorf von ihren Fesseln. Ihre Augen zuckten kurz in meine Richtung, als ich durch den Türspalt spähte. Misstrauen war das Einzige, was ich in ihren Augen sehen konnte.
    Schließlich endete der Gang mit den Verliesen. Der Weg wurde breiter, und die Kugeln, die das blasse Licht ausstrahlten, hingen nun in größeren Abständen. Hier war der Gang sauber bearbeitet und nicht nur aus dem Eis gehauen. Tatsächlich hatten die geschwungenen Wände sogar eine gewisse eisige Schönheit. Der Boden war sauber und mit Sand eingestreut, um besseren Halt zu geben. Das Ganze kam mir älter vor als die bisherigen Gänge, als wäre es gebaut worden, um eine größere Menge Menschen zu beherbergen. Doch wir hatten noch keine Menschenseele gesehen - zumindest niemanden, der nicht eingesperrt gewesen wäre.
    Dann kamen wir zu einer Abzweigung, die uns drei Möglichkeiten bot. Der Hauptgang verlief weiter vor uns geradeaus. Zu unserer Linken führten flache Stufen hinunter und wanden sich rasch außer Sicht. Zu unserer Rechten wiederum hatte man eine Treppe ins Eis gehauen, die steil nach oben führte. Beides sah wesentlich älter und ausgetretener aus als der Pfad, dem wir bis dahin gefolgt waren. Der Narr und ich blieben stehen und blickten einander an.
    Aus der Öffnung zu unserer Linken hörte ich ein leises Geräusch. Es kam aus der Ferne und wiederholte sich in regelmäßigen Abständen. Ich drehte mein Ohr in diese Richtung. Nach kurzer Zeit flüsterte der Narr: »Das klingt, als würde dort unten etwas Riesiges atmen.«
    Ich blähte die Nüstern und atmete tief ein. Was ich roch, gab mir Hoffnung, und dann erkannte ich auch das Geräusch. »Nein. Das sind Wellen. Das ist das Meer. Der Weg führt zum Strand. Komm.«
    Sein Gesicht leuchtete auf wie das eines plötzlich Begnadigten. »Ja!«, sagte er und eilte die breiten, flachen Stufen hinunter. Ich folgte ihm, packte ihn an der Schulter und drückte ihn in einer Kurve an die Eismauer. »Bleib dicht an der Wand«, befahl ich ihm mit leiser Stimme. »Wenn wir, jemanden hochkommen hören, haben wir so eine Chance, ihn zu überraschen.« Unsere einzige Waffe, das Messer des Narren, hielt ich bereits in der Hand.
    Wir waren müde und hatten keine Ahnung, wie lange wir schon durch dieses Labyrinth irrten. Die Stufen waren flach und nervenaufreibend ungleichmäßig. Auch waren sie eingedellt, als würden oft schwere Gegenstände über sie geschleppt. Je tiefer wir

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