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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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lauschten, hörten aber nichts.
    Ich war müde. Ich war sicher, dass wir den Zeitpunkt schon weit überschritten hatten, da eine Nacht Schlaf nötig gewesen wäre. Mein Kopf fühlte sich schwammig und voller umhersummender Fliegen an. Dem Narr schien es jedoch noch schlimmer zu gehen. Wir durchquerten den Gang und betraten die Treppe. Langsam folgte mir der Narr die schmalen Stufen hinauf. Kaum hatten wir die erste Biegung hinter uns, da hielt ich den Narren an. »Trink jetzt den Rest Branntwein«, befahl ich ihm. »Er wird dich wärmen und dir vielleicht auch ein wenig Mut geben. Auf jeden Fall wird er dir im Bauch mehr nützen als in der Flasche.«
    »Darf ich mich setzen?«, fragte er.
    »Nein. Dann bekomme ich dich vielleicht nicht mehr hoch«, erwiderte ich mutlos, doch der Narr hatte sich bereits auf die Stufe sacken lassen. Wieder holte er die Branntweinflasche heraus, öffnete sie und bot sie mir an. Das war keine Diskussion wert. Ich benetzte meine Lippen. »Mach du sie leer«, sagte ich dann.
    Und das tat er auch, mit einem einzigen tiefen Schluck. Anschließend dauerte es ein wenig, bis er sie wieder verschlossen und verstaut hatte. »Das ist hart«, sagte er, schien die Worte aber nicht direkt an mich zu richten. »Ich bin dem Ende so nahe. Ich habe das hier immer wieder gesehen, aber nie klar und deutlich. Und jetzt weiß ich nur, dass ich weitergehen muss ... und dass jeder Schritt mich meinem Tod näher bringt.« Er blickte mir in die Augen und sagte ohne Scham: »Ich habe Angst.«
    Ich lächelte. »Willkommen in der Welt der Menschen. Komm. Lass uns diesen Drachen mal anschauen, den zu retten du so weit gereist bist.«
    »Warum? Damit ich ihm sagen kann, dass ich versagt habe?«
    »Warum nicht? In jedem Fall sollte ihm jemand sagen, wie müde wir sind.«
    Nun war es der Narr, der lächelte. »Das wird ihn nicht kümmern. Für Drachen zählt weder die gute Absicht, noch interessiert sie ein gescheiterter Versuch. Er wird uns nur verachten ... falls er uns überhaupt beachtet.«
    »Aha. Nicht, dass das eine neue Erfahrung für uns wäre.«
    Dann lachte er und ich auch, nicht laut, sondern so, wie Männer lachen, die wissen, dass dies vielleicht die letzte Gelegenheit ist, mit einem Freund zu scherzen. Wir waren nicht betrunken, nicht im Mindesten, nicht von dem Branntwein. Sollte der Narr Recht behalten, sah es ohnehin so aus, als hätten wir gerade den Bodensatz unseres Lebens getrunken. Ich glaube, wenn einem Mann das klar wird, versucht er, auch noch den letzten Rest Freude herauszuholen.
    Und wir gingen hinauf. Die Treppe wand sich eng, und ich fragte mich, was für ein Verrückter sie wohl aus dem Eis gehauen hatte. Hatte es hier einst einen natürlichen Durchgang gegeben, den jemand nur zu einer Treppe ausgebaut hatte, oder war das hier die eisige Fantasie eines Bildhauers? Wir stiegen hinauf. An einer Stelle zierte ein eisiges Relief die Wand, doch es war entstellt, vermutlich absichtlich. Außer den Beinen, einer zur Faust geballten Hand und den Lippen und dem Kinn einer Frau war nichts mehr davon übrig. Allmählich hasste ich es, mit nur einem Stiefel gehen zu müssen, während mein anderer Fuß in einer eisverkrusteten Socke steckte. Als wir anhielten, um eine Pause zu machen, ließ ich den Narren sich setzen. Er lehnte sich an die Wand, und ich glaubte, er sei eingedöst. Als ich die Tränen auf seinen Wangen sah, stupste ich ihn an. »Die nützen nichts. Steh auf. Wir gehen jetzt weiter.«
    Meine Stimme klang freundlicher, als es meine Worte waren. Der Narr nickte und stemmte sich hoch. Wir setzten unseren Aufstieg fort. Wie ein nicht enden wollender Albtraum ging die Wendeltreppe immer weiter und weiter. Die blassen Kugeln konnten nicht jeden Winkel der gewundenen Treppe ausleuchten. Blau und Weiß in allen erdenklichen Schattierungen wechselten einander ab. Es war eine Welt von kalter, ermüdender Schönheit, durch die wir gingen. Langsam stiegen wir weiter hinauf, rasteten gemeinsam und gingen weiter. Schließlich waren wir so weit, dass wir glaubten, das Eis bald durchbrechen zu müssen. Dann erreichten wir eine Galerie im Eis ... und den Drachen.
    Eine dicke Eisschicht trennte uns von ihm. So sahen wir ihn verzerrt, dennoch war sein Anblick atemberaubend. Langsam gingen wir die Galerie entlang, die parallel zu Eisfeuer verlief. Er war größer als zwei Schiffe. Die Flügel waren an den Seiten gefaltet, und den Schwanz hatte er um den Leib geschlungen. Den Kopf auf dem langen Hals hatte

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