Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache
Kopf. Er trat näher an den Narren heran und beugte sich vor, um ihn sich anzusehen. Er berührte seine Stirn und schüttelte erneut den Kopf.
»Ich werde Tee kochen. Dafür hilft ein Tee.«
Wir aßen zusammen und vertrieben uns den Abend mit Geschichtenerzählen. Der Narr und Prilkop schienen ihr Verlangen, in ihrer eigenen Sprache zu sprechen, vorerst gestillt zu haben. Ich versuchte, Prilkop die ganze Geschichte zu erzählen, wie und warum wir nach Aslevjal gekommen waren. Er hörte mir aufmerksam zu, nickte und legte die Stirn in Falten. Von Zeit zu Zeit erklärte der Narr Prilkop einen Teil unserer Geschichte. Größtenteils lag er jedoch einfach nur da, hatte die Augen geschlossen und hörte zu. Wenn er meine Erzählung unterbrach, war es seltsam zu hören, wie er unser Leben auseinander nahm, um es so aussehen zu lassen, als sei es schon immer unser Ziel gewesen, die wahren Drachen in die Welt zurückzubringen. Ich nehme an, was ihn betraf, war das tatsächlich der Fall, doch ich sah mein Leben nun doch ein wenig anders.
Es wurde sehr spät, und Dick war schon lange eingedöst, als Prilkop uns eine gute Nacht wünschte. Kurz kam es mir komisch vor, als ich meine Decke abseits vom Narren ausbreitete. Es gab hier genug Platz zum Schlafen, kein Grund mehr, sich irgendetwas zu teilen. Aber ich hatte nun so viele Nächte neben ihm geschlafen, dass ich mich fragte, ob er mich in der Nähe haben wollte, um ihn vor seinen Albträumen zu schützen. Doch ich wusste nicht, wie ich ihn das fragen sollte. Stattdessen legte ich meinen Kopf auf den Arm und beobachtete ihn beim Schlafen. Sein Gesicht war schlaff vor Erschöpfung, doch der Schmerz ließ ihn noch immer die Stirn runzeln. Ich wusste, dass er nach allem, was er durchgemacht hatte, eine Zeit lang von mir getrennt sein musste. Er brauchte Zeit für sich allein, um herauszufinden, wer er war. Doch selbstsüchtig, wie ich war, wollte ich nicht, dass er sich wieder von mir entfremdete. Nicht nur meine Liebe zu Molly war erneuert worden, sondern auch meine jungenhafte Zuneigung für den Narren. Ich wollte, dass wir wieder die besten Freunde waren, ungeachtet aller Unterschiede, und dass wir die Zeit miteinander genossen und uns Schwierigkeiten gemeinsam stellten. Ich schwor mir, dass ich mir diese Möglichkeit nicht mehr achtlos durch die Finger gleiten lassen würde. Er und Molly würden mein Leben abrunden und es wieder zu dem machen, was es einst gewesen war. Und Philia, fügte ich im Geiste hinzu. Ich würde auch sie wieder für mich beanspruchen, egal, was mich das auch kosten würde.
Vielleicht lag es daran, dass Dick so dicht bei mir schlief, aber ich schlief zum ersten Mal, seit ich ins Reich der Bleichen Frau gekommen war, tief genug, um meine eigenen Träume zu träumen. Aber wie auch immer, auf jeden Fall fand mich Nessel. Oder vielleicht fand ich auch sie. Ich stand an einem Ort im Abendlicht. Es war ein Ort, an den ich mich fast erinnerte, doch er hatte sich so sehr verändert, dass ich mir nicht mehr sicher war. Blumen leuchteten in der Dämmerung. Irgendwo plätscherte ein Springbrunnen, und die Düfte der Abendblüten erfüllten die Luft und wurden von einer sanften Brise durcheinander gewirbelt.
Nessel saß auf einer Steinbank, allein. Sie hatte den Kopf gegen die Wand gelehnt und starrte in den Nachthimmel hinauf. Ich zuckte unwillkürlich zusammen, als ich sie sah. Ihr wunderschönes Haar war bis auf die Haut kurz geschoren. Das war das älteste Symbol der Trauer in den Sechs Provinzen, und Frauen machten sich diesen Brauch nicht oft zu eigen. Ich setzte mich in meiner Wolfsverkleidung auf das Steinpflaster vor sie. Sie blickte zu mir hinunter.
»Weißt du, dass mein Vater gestorben ist?«
»Ja. Es tut mir Leid.«
Ihre Finger spielten mit dem Saum ihres dunklen Rocks. »Warst du dabei?«, fragte sie schließlich.
»Als er gestorben ist, nein. Als er die Verletzung erlitten hat, die ihn schlussendlich getötet hat, ja.«
Ein kurzes Schweigen breitete sich zwischen uns aus. Dann fragte sie: »Warum bin ich so verlegen, dich das zu fragen, als wäre es nicht angemessen, das zu tun? Ich weiß, dass der Prinz es für unangebracht hält, darüber zu reden; stattdessen sagt er ständig nur, dass mein Vater ein Held gewesen sei und gut gekämpft habe. Aber das ist nicht genug für mich. Ich will wissen,
wie
er gestorben ... wie er tödlich verwundet wurde. Ich will ... ich
muss
jede Einzelheit wissen, denn sie haben seinen Leichnam ins Meer
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