Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache
umsichtig zu sein - was er natürlich ignorierte.
Schließlich kehrte ich wieder zu vollem Bewusstsein zurück und sah, wie der Narr zu irgendeiner ausschweifenden Erklärung des Schwarzen Mannes nickte. Sie sprachen die fremdartigste Sprache, die ich je gehört habe. Ich erkannte nicht ein einziges Wort. Dick bestand darauf, mir zu berichten, wie er seine Zeit mit dem Schwarzen Mann verbracht hatte. Er erzählte mir ausführlich, was er alles gegessen und wie Chade sich mehr und mehr aufgeregt hatte und dass er nicht weit von hier eine wunderbare Rutschbahn entdeckt habe. Ich blickte in sein rundes Gesicht, das vor Zufriedenheit geradezu strahlte. Er war ein wunderbarer Mann. Gleichmütig akzeptierte er schlicht, dass ich wieder zurückgekehrt und der Narr nicht länger tot war und dass wir schon bald wieder Zuhause sein würden, ohne ein Boot zu besteigen. Die Freude, die er dabei empfand, über den Schnee zu schliddern, war i genauso groß wie seine Freude über meine Rückkehr. Ich beneidete ihn um diese unbekümmerte Ergebenheit in Veränderungen und die Zukunft.
Während er munter weiterplapperte, versuchte ich zu entschlüsseln, was die Zukunft für mich bereithielt. Wir würden wieder nach Bocksburg zurückkehren, und ich hatte nun auch noch den Auftrag, die Gabenbibliothek dorthin zu bringen. Ich fürchtete schon jetzt die vielen Gänge durch den Gabenpfeiler, die dazu nötig sein würden. Doch diese Aufgabe war geradezu leicht, wenn ich daran dachte, was darauf folgen würde. Ich musste mich Nessel vorstellen und Molly enthüllen, dass ich noch lebte. Mich überkam eine derartige Welle der Sehnsucht, dass es mir fast den Atem verschlug. Indem er mir all meine Erinnerungen an sie zurückgegeben hatte, hatte der Narr mein Herz zu jenem Augenblick zurückgespült, da ich wusste, dass ich sie verloren hatte. Der Schmerz war wieder frisch und meine Liebe zu ihr noch genauso stark wie früher. Allein schon der Gedanke an unser erstes Wiedersehen und an all die Erklärungen, die ich ihr würde geben müssen, erfüllte mich mit Angst. Ich fürchtete mich davor, mich ihrer Trauer um ihren Gemahl zu stellen, aber mir war klar, dass ich es tun musste. Burrich hatte sich um meine Tochter gekümmert, nachdem ich >gestorben< war. Konnte ich da weniger für seine Söhne tun? Und doch würde es nicht leicht werden. Nichts von alledem würde leicht werden. Doch tief in meinem Herzen blickte ich dem auch mit freudiger Erwartung entgegen. Jenseits der Trauer, die wir ob Burrichs Tod miteinander teilen würden, würde es vielleicht auch noch etwas anderes geben. Ich kam mir irgendwie gierig vor, wenn ich daran dachte, dennoch war dieses Gefühl vorhanden. Es schien schon Jahre her zu sein, seit ich zum letzten Mal nach vorn geblickt und Möglichkeiten für mich gesehen hatte. Plötzlich wusste ich, dass ich die Veränderung wollte, das Leben und die Gefahr, die der Versuch mit sich brachte, Mollys Liebe erneut zu gewinnen.
Dick schüttelte mich an der Schulter. »Und?«, fragte er mich fröhlich. »Willst du jetzt gehen?«
»Ja«, hörte ich mich selbst sagen und bemerkte dann, dass mich seine Erzählungen vom Rutschen im Schnee zum Lächeln gebracht hatten. So meldete ich mich freiwillig, mit ihm rutschen zu gehen. Seine Freude darüber war viel zu groß, als dass ich sie hätte zerstören wollen, und plötzlich kam mir der Gedanken, dass ich im Augenblick in der Tat nichts Besseres zu tun hatte. Der Narr konnte ein wenig Ruhe vertragen, und außerdem schien er sein Gespräch mit dem Schwarzen Mann zu genießen. So schnappten wir uns unsere Sachen und gingen hinaus. Eigentlich hatte ich nur ein-, zweimal mit ihm rutschen wollen, um ihn zufrieden zu stellen, doch der Hang, den er gefunden hatte, war lang und kurvenreich und einfach zu einladend. Dick hatte ihn im Laufe der vergangenen Tage regelrecht glatt poliert. Wir rutschten auf unseren Bäuchen und dann zusammen auf meinem Mantel und johlten dabei wie Kinder. Wie nass oder kalt wir dabei wurden, war uns egal.
Es war ein Spiel, schlicht und einfach. Für Spiele hatte ich nie Zeit gehabt. Ich hatte sie als unnötig betrachtet, als sinnlose Unterbrechung der praktischen Dinge eines wohlgeordneten Lebens. Wann hatte ich eigentlich aus den Augen verloren, dass man Dinge auch einfach aus der Freude daran tun konnte? Ich verlor mich in diesem Spiel und kehrte erst erschrocken wieder in die Welt zurück, als jemand meinen Namen rief. Ich hatte gerade das Ende der Bahn
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