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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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wünsche dir alles, alles erdenklich Gute«, sagte ich leise.
    »Ich danke dir. Du verstehst doch, warum wir so auseinander gehen müssen, oder?«
    »Natürlich. Leb wohl, Merle. Leb wohl.«
    Ich saß auf der Bank und blickte ihr nach. Sie ging nicht, sie glitt, die Arme vor dem Bauch, als würde sie ihr ungeborenes Kind tragen. Mein gieriger, wilder Vogel hatte nun ein Nest gebaut. Deutlich fühlte ich den Verlust. Auf ihre eigene Art war sie stets jemand gewesen, an den ich mich hatte wenden können, wenn es wieder einmal schwer wurde. Das war nun vorbei.
    Auf dem Weg nach Burgstadt dachte ich über meine Zeit mit Merle nach. Ich fragte mich, ob ich Merle je irgendetwas von mir gegeben hätte, hätte ich vorher nicht meinen Schmerz dem Drachen gegeben. Nicht, dass ich viel mit ihr geteilt hätte. Ich erinnerte mich daran, wie wir zusammengekommen waren, und staunte über mich selbst.
    Der >Pelikanschnabel< lag in einem neuen Teil von Burgstadt, erst einen steilen Weg hinauf und dann hinunter. Es war eine neue Taverne in dem Sinne, dass sie noch nicht dort gestanden hatte, als ich noch ein Kind gewesen war, doch die Deckenbalken waren bereits verraucht und die Tische von den Füßen der Barden zerbeult, die es liebten, ausgelassen darauf zu tanzen und zu springen, wenn sie ein Epos deklamierten.
    Es war noch zu früh am Tag für die Barden, und somit war der Schankraum weitgehend leer. Der Wirt saß auf einem großen Stuhl neben dem Fenster und blickte aufs Meer hinaus. Ich wartete, bis meine Augen sich an das trübe Licht gewöhnt hatten; dann sah ich Harm allein in der Ecke sitzen. Vor ihm standen mehrere Stücke Holz, und er schob sie herum, als würde er damit spielen. Er hatte sich einen kleinen Bart wachsen lassen, nur ein Streifen lockigen Haars unter der Nase. Das missfiel mir sofort. Ich ging hinüber und stellte mich vor den Tisch, bis er den Blick hob und mich sah. Dann sprang er mit einem Schrei auf, der den dösenden Wirt aus seiner Ruhe riss, lief um den Tisch und nahm mich in die Arme. »Tom! Da bist du ja! Ich bin so froh, dich zu sehen! Es hieß, dass man dich vermissen würde. Als ich gehört habe, dass du wieder aufgetaucht seist, bin ich dich besuchen gegangen, aber du hast wie ein Toter geschlafen. Hat der Heiler dir die Nachricht gegeben, die ich dir hinterlassen habe?«
    »Nein, das hat er nicht.«
    Mein Tonfall warnte ihn. Er ließ ein wenig die Schultern hängen. »Ah. Dann hast du also nur die schlechten Nachrichten über mich gehört und nicht die guten, möchte ich wetten. Setz dich. Ich hatte gehofft, dass du sie gelesen hättest, sodass ich dir nicht noch einmal alles von vorn erzählen muss. Es ermüdet mich, immer und immer wieder dasselbe zu erzählen, besonders so oft, wie es heutzutage von mir verlangt wird.« Er hob die Stimme. »Marn? Können wir zwei Krüge Bier haben? Und auch etwas Brot, wenn es schon aus dem Ofen ist.« Dann wandte er sich wieder mir zu und forderte mich erneut auf, Platz zu nehmen, bevor er sich selbst niederließ. Ich setzte mich ihm gegenüber. Er blickte mir ins Gesicht und sagte: »Ich werde es dir schnell erzählen. Svanja hat mein Geld genommen und es für Nettigkeiten ausgegeben, um die Aufmerksamkeit eines älteren Mannes zu erregen. Jetzt ist sie Frau Nadel. Sie hat den Polsterer geheiratet, einen Mann, der gut doppelt so alt ist wie ich - und gut situiert. So viel also dazu. Das hat sich erledigt.«
    »Und deine Lehre?«, fragte ich ruhig.
    »Ich habe die Stelle verloren«, antwortete er leise. »Svanjas Vater hat sich bei meinem Meister über meinen Charakter beschwert. Meister Gindast hat mir daraufhin erklärt, entweder müsse ich mich ändern oder seinen Dienst verlassen. Ich war dumm. Ich habe ihn verlassen. Ich habe versucht, Svanja zu überreden, mit mir fortzulaufen, zu unserer alten Hütte. Ich habe ihr gesagt, dass das Leben dort zwar hart sei, doch wir wenigstens den Reichtum unserer Liebe hätten. Der Verlust meiner Lehrstelle machte sie geradezu wild, und sie sagte mir, ich sei verrückt, wenn ich glauben würde, sie wolle im Wald leben und Hühner züchten. Vier Tage später ging sie am Arm von Meister Nadel durch die Stadt. Du hattest Recht, was sie betrifft, Tom. Ich hätte auf dich hören sollen.«
    Ich biss mir auf die Zunge, um ihm nicht zuzustimmen. Stattdessen starrte ich auf den Tisch und fragte mich, was nun aus meinem Jungen werden sollte. Ich hatte ihn genau in dem Augenblick allein gelassen, da er einen Vater am nötigsten

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