Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache
Edelleuten, die sich unterhielten. Ich ging zum Violetten Gemach und klopfte an.
Nessel öffnete die Tür. Darauf war ich nicht vorbereitet gewesen. Ich hatte gedacht, zuerst dem jungen Chivalric gegenüberzustehen. Nessel starrte mich an und erkannte mich dann sichtlich überrascht. Sie schwieg, bis ich sie fragte: »Darf ich hereinkommen? Ich würde gerne mit deiner Mutter und deinen Brüdern sprechen?«
»Ich denke nicht, dass das klug wäre. Geh weg«, antwortete sie und schickte sich an, die Tür zu schließen, doch Chivalric packte das Holz und fragte sie: »Wer ist das?« Dann wandte er sich an mich. »Kümmert Euch nicht um sie, mein Herr. Sie trägt das Kleid einer Dame, hat aber die Manieren eines Fischweibs.«
Der Raum war voller Kinder. Bis jetzt war mir gar nicht klar gewesen, wie viel sieben Kinder eigentlich waren. Flink und Behende saßen auf dem Boden neben dem Kamin und spielten das Steinspiel, Standfest schaute ihnen zu. Flink hob den Kopf, sah mich und klappte überrascht den Mund auf. Sein Zwillingsbruder stieß ihn an und verlangte zu wissen: »Was ist? Du bist am Zug.« Herd und Recht rangen auf dem Bett miteinander und ignorierten mich. Plötzlich erkannte ich das ganze Ausmaß des Versprechens, das Burrich mir abverlangt hatte. Die Bettdecken waren von den beiden balgenden Jungen zerwühlt, und der Leuchter auf dem Nachttisch war ständig in Gefahr, umgestoßen zu werden. Und dann, bevor Nessel mir die Tür vor der Nase zuknallen oder Chivalric mich hineinbitten konnte, kam Molly aus dem Nebenzimmer. Sie blieb unvermittelt stehen und starrte mich an.
Ich glaube, sie hätte mich rausgeworfen, hätte sie die Chance gehabt. Herd stand auf und warf sich auf seinen Bruder, der jedoch geschickt beiseite rollte. Ich machte zwei schnelle Schritte und fing den Sechsjährigen auf, bevor er zu Boden fallen konnte. Sofort wand er sich aus meinem Arm und stürzte sich wieder in den Kampf mit seinem Bruder. Sie erinnerten mich an Hundewelpen, und ich lächelte, als ich sagte: »Ich habe Burrich versprochen, dass ich mich um seine Söhne kümmern werde. Das kann ich aber nicht tun, wenn ich sie nicht kenne. Deshalb bin ich gekommen, um mich vorzustellen.«
Flink stand langsam auf und drehte sich zu mir um. Die Frage in seinen Augen war offensichtlich. Ich atmete tief durch und fand meine Antwort: Ja. »Mein Name ist FitzChivalric Weitseher. Ich bin in den Ställen von Bocksburg aufgewachsen. Euer Vater hat mir alles beigebracht, von dem er geglaubt hat, dass ein Mann es wissen muss. Das will ich nun an seine Söhne weitergeben.«
Chivalric bemerkte Mollys Nervosität, und der Name, den ich genannt hatte, beunruhigte ihn auch. Er stellte sich zwischen die kleineren Kinder und mich. Dieses Verhalten war so instinktiv, dass ich lächeln musste, auch wenn er sagte: »Ich denke, dass auch ich meinen Brüdern die Lehren meines Vaters beibringen kann, mein Herr.«
»Das erwarte ich auch von dir, aber du wirst dich ebenso um andere Dinge kümmern müssen. Wer versorgt im Augenblick zum Beispiel eure Tiere, da ihr alle weg seid?«
»Ochsenwert. Ein Mann aus unserem Dorf, der uns immer schon von Zeit zu Zeit bei schwereren Arbeiten geholfen hat. Ein paar Tage kommt er gut zurecht. Trotzdem werde ich nach der Hochzeit des Prinzen sofort wieder zurückkehren müssen.«
»Das geht ihn nichts an!«, mischte sich Nessel entrüstet ein.
Ich wusste, dass ich mich ihr stellen oder mich von ihr verjagen lassen musste. »Ich habe ein Versprechen gegeben, Nessel. Flink war Zeuge. Ich glaube nicht, dass dein Vater mich darum gebeten hätte, wenn er geglaubt hätte, dass mich die Erziehung seiner kleinen Söhne nichts angeht. Somit liegt das nicht in deiner Hand.«
»In meiner aber schon«, warf Mollv entschlossen ein. »Und aus vielerlei Grunden halte ich das für unklug.«
Ich atmete tief durch und stählte mich. Dann drehte ich mich zu Chivalric um. »Ich liebe eure Mutter. Das habe ich schon vor Jahren getan, Jahre, bevor sie euren Vater gewählt hat. Doch ich verspreche dir, dass ich nicht versuchen werde, bei irgendeinem von euch seinen Platz einzunehmen. Ich werde nur tun, um was er mich gebeten hat: mich um euch kümmern.« Ich wandte mich wieder Molly zu. Ihr Gesicht war so weiß, dass ich schon glaubte, sie würde in Ohnmacht fallen. »Keine Geheimnisse«, sagte ich zu ihr. »Keine Geheimnisse zwischen uns.«
Molly ließ sich aufs Bett fallen. Ihre zwei jüngsten Söhne kamen sofort zu ihr, und Herd
Weitere Kostenlose Bücher