Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache
kein altes Blut abwaschen, wie Sand es kann.
Ich denke, ihr werdet dort vieles finden, was euch gefällt. Ich habe gehört, dass die Herden in Chalced gut doppelt so groß sind wie unsere hier und so fett, dass das Fleisch Feuer fängt, wenn man versucht, es über einer offenen Flamme zu braten.
Nessels Traum war erfüllt vom Geruch nach gebratenem Fleisch und tropfendem Fett. Das machte mir Hunger.
Ich habe nie gehört, dass die Herden von Chalced ungewöhnlich groß oder fett sein sollen
, warf ich ein.
Wir reden nicht mit dir
, bemerkte Nessel in strengem Ton.
Und was ich über Chalced weiß, weiß ich aus den Geschichten, die mir mein Vater darüber erzählt hat. Ich denke, sie würden sehr vom Besuch zweier hungriger Drachen profitieren.
Und dann warf sie mich aus ihrem Traum, und ich wachte auf dem Boden neben meinem Bett wieder auf.
Pflichtgetreu, Chade, Nessel, Dick und ich trafen uns weiter frühmorgens, um unser Verständnis für die Gabe zu vertiefen. Nessel war höflich, sprach aber nur mit mir, wenn unbedingt nötig. Ich kämpfte nicht gegen diese Wand an, unterwies aber Pflichtgetreu, Dick und sie als Gruppe. Dabei wurde rasch offensichtlich, dass ich ihnen nur wenig voraus war, und so studierten wir bald wieder als Kordiale zusammen. Was wir aus den geretteten Schriftrollen lernten, ließ uns langsamer statt schneller vorwärts gehen, denn rasch wurde offenbar, dass wir unsere Magie führten wie ein Junge ein Schwert, ohne wirkliches Verständnis für Gefahr und Potential. Chade wünschte sich verzweifelt, mit den Portalsteinen zu experimentieren, wie wir die Gabenpfeiler inzwischen nannten. Die Städte der Uralten und die Hinweise auf verborgene Schätze dort faszinierten ihn. Nur Dicks und meine extreme Aversion gegen die Steine überzeugte ihn davon, dass er seine Magie noch besser beherrschen lernen musste, bevor er durch sie hindurchging.
Das Beste, was bei dem Ganzen herauskam, war wohl, dass Chade zustimmte, im Frühling einen Ruf nach alter Tradition auszusenden. Aus jenen, die kamen, würden wir dann geeignete Gabenkandidaten auswählen, die anschließend nach den in den Schriftrollen festgelegten Regeln ausgebildet werden sollten.
Trotz meiner vielen Pflichten hatte ich das Gefühl, als würde der Winter niemals enden. Am Tag nach der Hochzeit hatte Molly mit fünf ihrer Söhne Bocksburg verlassen. Sie verabschiedete sich nicht von mir. Drei Tage lang blutete ich innerlich, und da ich sonst niemanden kannte, der mir in Herzensangelegenheiten helfen konnte, ging ich schließlich mit dem Bericht über meine Dummheit zu Philia und Litzel. Sie hörten mir aufmerksam zu, lobten mich für meinen Mut und meine Ehrlichkeit, verdammten meine Dummheit und enthüllten mir dann, dass Molly ihnen die ganze Geschichte bereits erzählt hatte. Nachdem sie mich dafür getadelt hatten, dass ich trotz ihrer Warnungen einfach so losgestürmt war, verkundete Philia, dass ich für den Winter mit ihr nach Fierant zurückkehren müsse, um mich zu beschäftigen und Molly Zeit zu lassen. Nur knapp konnte ich mich da herausreden. Dennoch fiel es mir schwer, mich von ihnen zu verabschieden, und ich versprach den beiden alten Damen, sie noch vor Jahresende zu besuchen.
»Falls wir dann noch leben«, bemerkte Philia fröhlich. Sie versprachen, mir jeden Monat einen Brief mit den Berichten zu schicken, die an die Königin gingen, und ich versprach, es ihnen gleichzutun. Ich schaute zu, wie sie sich zwischen den Wachen, die die Königin ihnen zugeteilt hatte, auf die Pferde schwangen, denn trotz ihres Alters verabscheuten die beiden Frauen die Bequemlichkeit einer Kutsche. Dann blickte ich ihnen hinterher, bis sie außer Sicht verschwunden waren.
So soll der Ruf weit im Vorhinein erschallen, denn die Menschen verdienen eine Warnung, bevor die Gabenmagie sie zum ersten Mal berührt. Ein Ruf ohne Vorwarnung kann große Furcht bei jenen hervorrufen, die unwissentlich über die Gabe verfügen, Furcht, womöglich vom Wahnsinn befallen zu sein. So sollen rechtzeitig Reiter ausgesandt werden, doch nennt ihnen nicht den genauen Tag. In der Vergangenheit wurde viel Zeit damit verschwendet, die Gabe bei einigen zu wecken, die nach Bocksburg gekommen waren und behauptet hatten, den Ruf gehört zu haben, obwohl sie in Wahrheit nur ihrem Leben als Bauer; Bäcker oder Flussschiffer entfliehen wollten.
Soll die stärkste Kordiale der Burg den Ruf aussenden, und zwar so weit, wie irgend möglich. Ein Ruf sollte nicht häufiger als
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