Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache
schon vor Jahren kommen sollen. Was hast du dir nur dabei gedacht? Was?«
»Ich muss den Drachen töten«, erklärte ich ihm. »Und zwar so bald wie möglich. Wenn ich den Drachen töte, lässt sie den Narren leben. Ich muss Eisfeuer den Kopf abschlagen, Burrich. Ich
muss.«
»Wenn du das musst, dann wirst du das auch tun«, sagte Burrich tröstend. »Aber nicht jetzt.« Dann wandte er sich an Flink: »Hör auf, so zu gaffen, Junge. Hol trockene Kleidung, und mach etwas zu essen und Tee für ihn. Schnell.«
Dankbar ergab ich mich seinen festen Händen, denen ich stets vertraut hatte. Er führte mich zwischen den starrenden Männern hindurch zum Zelt des Prinzen, wo mir das Herz vor Erleichterung geradezu überquoll, als ich sah, wie Dick sich verschlafen aufsetzte. Er sah bei weitem nicht so schlimm aus, wie ich befürchtet hatte, und er schien sogar erfreut zu sein, mich zu sehen - zumindest bis man ihm sagte, dass er sein Bett erst einmal für mich würde räumen müssen. Mürrisch stapfte er mit Langschopf hinaus. Wie ich erfuhr, hatte Dick über die Gabe Kontakt zu Chade und dem Prinzen aufgenommen, woraufhin Chade sofort Langschopf und Kräusel geschickt hatte, um ihn zu holen. Dick hatte eine furchtbare Nacht auf dem Schlitten verbracht, mit dem Gabenkontakt als einzigem Trost. Als seine Retter ihn am nächsten Tag erreichten, hatten sie keine Spur von Fürst Leuenfarb und mir gefunden, nur den eingesunkenen Schnee, der inzwischen den Spalt unter sich begrub, in den wir gefallen waren.
Benommen von Kälte und Erschöpfung setzte ich mich auf Chades Bett. Burrich sprach zu mir, während er ein kleines Feuer unter der Pfanne entfachte. Seine tiefe Stimme und sein Sprachrhythmus waren ein vertrauter Trost aus meiner Kindheit. Eine Zeit lang lauschte ich einfach nur dem Klang, ohne auf die Worte zu achten. Dann bemerkte ich, dass er mir Bericht erstattete, so wie ich ihm einst Bericht erstattet hatte. Nachdem er sich entschlossen hatte, Flink und mich nach Hause zu holen, war er so schnell gekommen, wie er konnte, und es tat ihm Leid, so Leid, dass er so lange gebraucht hatte, uns zu finden. Die Königin persönlich hatte ihm geholfen, ein Boot nach Aslevjal zu finden, doch kein Mann von der Besatzung war bereit gewesen, einen Fuß auf die Insel zu setzen. Nach der Landung hatte er versucht, Chades Wachen zu überreden, ihn zu uns zu führen. Aber sie hatten sich rundheraus geweigert, ihr Zelt am Strand und damit die Vorräte unbewacht zurückzulassen. So hatte er sich selbst auf den Weg gemacht und dabei Peottres Stecken als Wegweiser genutzt. Schließlich hatte er Dicks Schlitten fast zeitgleich mit Kräusel und Langschopf erreicht, wo er dann auch vom Verschwinden Tom Dachsenbless' und Fürst Leuenfarbs erfuhr. Im Lager angekommen, hatte Chade ihn zu einem Gespräch unter vier Augen ins Zelt des Prinzen geführt und ihm in aller Ruhe erklärt, dass diese Namen niemand anderem als dem Narren und mir gehörten. Burrich war also den ganzen Weg nach Aslevjal gereist, nur um wieder einmal von meinem Tod zu erfahren. Seine Stimme klang gleichmütig, als er mir das erzählte, als wäre der Schmerz nicht von Bedeutung, den er bei diesen Neuigkeiten empfunden hatte. »Aber ich bin froh, dass sie sich geirrt haben ... wieder einmal.« Er rieb mir Hände und Füße, um sie wieder zum Leben zu erwecken.
»Danke«, sagte ich leise, als ich die Finger wieder bewegen konnte. Ich hatte Burrich so viel zu sagen, aber wir waren nicht allein. So drehte ich mich zu Chade um und stellte die Frage, die mir am meisten auf der Seele brannte: »Wie nah stehen wir davor, den Drachen zu töten?«
Chade setzte sich neben mich aufs Bett. »Wir sind näher daran als bei deinem Verschwinden, aber bei weitem noch nicht nah genug«, antwortete er bitter. »Bei eurem Aufbruch waren wir gespalten. Jetzt ist es noch schlimmer. Wir sind verraten worden, Fitz, und zwar von einem Mann, dem wir alle vertrauten. Web hat seine Möwe nach Bingtown geschickt, um den Händlern alles zu erzählen und sie zu bitten, Tintaglia zu schicken, damit sie uns davon abhält, Eisfeuer zu erschlagen.«
Mein Blick wanderte zu Pflichtgetreu, und ich starrte ihn ungläubig an. »Und du hast das zugelassen?«
Pflichtgetreu saß am Fußende der Pritsche und beobachtete uns mit seinen dunklen Augen. Ich sah Falten im Gesicht meines Prinzen, und seine Augen waren geschwollen, als hätte er in den vergangenen Tagen ungehemmt geweint. Ich konnte es kaum ertragen, ihn
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