Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache
anzusehen.
»Er hat mich nicht um Erlaubnis gebeten«, sagte Pflichtgetreu schmerzerfüllt. »Er hat gesagt, kein Mann brauche die Erlaubnis zu tun, was richtig ist.« Er seufzte. »In den wenigen Tagen seit deinem Verschwinden ist tatsächlich viel geschehen. Während deiner Abwesenheit haben wir uns weiter durchs Eis gegraben. Schließlich haben wir einen Punkt erreicht, von dem aus wir einen gewaltigen Schatten unter uns erkennen konnten. Was wir sahen, war der Torso einer riesigen Kreatur, und so machten wir uns daran, einen Tunnel den Rücken entlang in Richtung Kopf zu schlagen. Die Enge des Tunnels behinderte zwar die Arbeiten, aber das war immer noch einfacher, als das gesamte Areal auszuheben. Wir glauben, dass es sich bei dem, was wir nun erkennen können, um den Hals des Drachen und einen Teil seines Kopfes handelt. Doch je näher wir ihm kamen, desto stärker wurde das Gefühl der Zwiehaften Kordiale, dass es nicht an uns ist, diese Kreatur zu erschlagen; dass sie sowohl Leben als auch Geist in sich trägt, obwohl niemand von uns sie zuverlässig zu fühlen vermag. Meine Leute vom Alten Blut graben noch immer jeden Tag an unserer Seite, aber ich fürchte, dass sie sich mit den Männern des Hetgurd zusammentun werden, sollte ich versuchen, Eisfeuer zu töten.« Er wandte sich von mir ab, als schäme er sich dafür, dass sein Vertrauen derart missbraucht worden war. »Heute Nacht, kurz bevor du ins Lager zurückgekehrt bist, hat Web mir gestanden, dass er Risk geschickt hat. Bei dem darauf folgenden Streit ging es hoch her«, berichtete er leise.
Meine Hoffnung auf ein rasches Ende des Drachen geriet ins Wanken. Es kostete mich alle Disziplin, die man mich je gelehrt hatte, mein Missgeschick in allen Einzelheiten und in der richtigen Reihenfolge zu schildern. Unsinnige Scham brannte in mir, als ich erzählte, wie ich Sieber und Hest zurückgelassen hatte. Als ich ihnen vom Schicksal des Narren berichtete und von seinen Worten über Mutter und Schwester der Narcheska, begann Pflichtgetreu, im Sitzen zu schwanken. »Jetzt wird endlich alles klar... aber zu spät.«
Ich wusste, dass er Recht hatte, und wieder überkam mich Verzweiflung. Selbst wenn ich den Weg zurück gekannt hätte, selbst wenn ich sie dazu hätte überreden können, all unsere Männer gegen die Bleiche Frau in Marsch zu setzen, wir waren zu wenige. Sie konnte den Narren in nur wenigen Augenblicken töten oder wandeln, und das würde sie auch ohne Zweifel tun. Auch konnte ich nicht hoffen, den Drachen rasch zu töten, um so die Freilassung des Freundes zu erreichen. Wenn wir das Eis durchdrungen hatten, würden wir noch an den Männern des Hetgurd vorbeimüssen, an unseren eigenen Leuten vom Alten Blut und vielleicht auch an Tintaglia.
Das Versprechen der Bleichen Frau, dass der Narr nicht sterben würde, war eine kaum verhüllte Drohung. Der Narr würde gewandelt werden. Mir würde es dann obliegen, das zu beenden, was von seinem Leben noch übrig war. Ich wollte noch nicht einmal darüber nachdenken.
»Wenn wir uns zur Grube schleichen würden, könnten wir Eisfeuer dann töten? Insgeheim? Heute Nacht?« Etwas anderes fiel mir nicht ein.
»Unmöglich«, antwortete der Prinz. Sein Gesicht war aschfahl. »Das Eis zwischen ihm und uns ist zu dick. Es liegen noch mehrere Tage Arbeit vor uns, bis wir seinen Körper erreichen, und ich fürchte, bis dahin wird Tintaglia hier sein.« Er schloss kurz die Augen. »Meine Queste ist gescheitert. Ich habe mein Vertrauen in die falschen Leute gesetzt.«
Ich blickte zu Chade. »Wie viel Zeit haben wir?«
Wie viel Zeit hat der Narr?
Er schüttelte den Kopf. »Wie schnell kann eine Möwe fliegen? Wie schnell werden die Bingtown-Händler auf Webs Botschaft reagieren? Wie schnell kann ein Drache fliegen? Niemand weiß das. Ich glaube, der Prinz hat Recht. Wir haben verloren.«
Ich knirschte mit den Zähnen. »Es gibt mehr als einen Weg, Eis zu beseitigen«, sagte ich und blickte Chade bedeutungsvoll an. Die Augen des alten Mannes leuchteten auf, doch bevor er etwas darauf erwidern konnte, erklang Flinks Stimme draußen vor dem Zelt.
»Herr! Ich bringe Tom Dachsenbless' Gepäck, und dann hole ich was zu essen. Darf ich reinkommen?«
Pflichtgetreu nickte Burrich zu, der daraufhin seinem Sohn zurief hereinzutreten.
Der Junge kam rein. Steif und formell verbeugte er sich vor dem Prinzen und blickte weder zu seinem Vater noch zu mir. Es schmerzte mich zu sehen, wie der Streit zwischen der Zwiehaften
Weitere Kostenlose Bücher