Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache
sanftem Ton.
Er schaute mich an, als wäre ihm meine Unwissenheit ein Rätsel. Dann, nur für einen Moment, sah ich einen Ausdruck über sein Gesicht huschen, einen, der mir Angst einjagte. Doch wie sehr Tintaglia seinen Verstand auch vernebelt haben mochte, Chade hatte eine schier unendliche Erfahrung darin, sich Grunde auszudenken, mit deren Hilfe er mich dazu bringen konnte zu tun, was er wollte. »Falls es dir entgangen sein sollte: Ein wütender weiblicher Drache befindet sich auf dem Weg hierher, ein Drache, der Dank dir von unserer Anwesenheit weiß. Welche Möglichkeit hast du uns denn gelassen? Wenn wir ihn jetzt töten, bringt sie uns alle um. Graben wir Eisfeuer jedoch aus, bevor Tintaglia hier eintrifft, wird sie das vielleicht als Zeichen unseres guten Willens anerkennen. Du hast selbst gesagt, dass sie uns helfen könnte, eine Allianz mit Bingtown aufzubauen. Bevor wir nicht ihre tatsächliche Stärke kennen, halte ich es für das Beste, ihr so weit wie möglich entgegenzukommen. Du nicht?«
»Und du glaubst, das am besten erreichen zu können, indem du Eisfeuer mit deinem Pulver befreist, ja?«
»Eine Explosion kann die Arbeit von zehn Männern mit Schaufeln erledigen. Vertrau mir in dieser Sache, Fitz. Ich weiß, was ich tue.« Der Gedanke, Eisfeuer freizusprengen, schien ihn nun genauso zu begeistern wie zuvor der, ihn in die Luft zu jagen. Wie hart hatte Tintaglias Befehl ihn getroffen? Mit der Wucht eines Gabenbefehls, den man einfach befolgen
musste
, ungeachtet dessen, was man selbst für das Richtige hielt? Und war der Narr schon gewandelt? Tot? Die beiden letzten Fragen brachen so unvermittelt über mich herein wie eine kalte Flut und spülten alle anderen Sorgen hinfort. Die Wucht dieser Gedanken ließ mich taumeln. Ich hatte getan, worauf der Narr gehofft hatte. Ich hatte den Drachen geweckt, und nun machten wir uns mit allen Kräften daran, ihn zu befreien und mit Tintaglia zu vereinen. In dem Augenblick, da ich es getan hatte, war ich auch fest davon überzeugt gewesen, das einzig Richtige zu tun. Doch nun nagte meine Seele an der Unerbittlichkeit der Zeit. Ich konnte nicht wieder zurück und meine Entscheidung noch einmal ändern. Plötzlich kam sie mir zu schwer und einschneidend vor, um für den Rest meines Lebens die Verantwortung für sie zu tragen. Kurz brannten die Fingerabdrücke des Narren kalt auf meinem Handgelenk.
Noch immer trugen mich meine Füße gemeinsam mit den anderen den Hügel hinauf. Als wir die Ausgrabungsstelle erreichten, fanden wir heraus, dass der Drache mit seinen Anstrengungen nur wenig erreicht hatte. Allerdings war das Eis über seinem Rücken an mehreren Stellen von unten gebrochen, und den Tunnel über Kopf und Hals hatte er zum Einsturz gebracht. Die Zwiehafte Kordiale machte sich bereits mit viel Leidenschaft, aber allein an den Rissen im Eis zu schaffen. Als ich ankam, gesellten sich die Männer des Hetgurds gerade zu ihr. Zum ersten Mal waren alle im Lager vereint, um den Drachen lebend auszugraben. Aber egal, wie groß die Aufregung auch sein mochte, die Arbeit war so mühselig wie eh und je.
Als wir herausfanden, dass das Sprengpulver sich noch immer in dem nun eingestürzten Tunnel befand, tadelte Chade mich, was für ein Idiot ich gewesen sei. Er teilte zwei Mann dafür ein, den Tunnel wieder zu öffnen, und verwirrte dann vollkommen die Zwiehafte Kordiale, indem er ihr befahl, schmale, tiefe Löcher neben dem Drachen zu graben. »Wir werden kleinere Pulverladungen neben dem Riss anbringen, den er verursacht hat. Das wird ihn nicht verletzen, sondern das Eis vielmehr weit genug aufbrechen, damit wir größere Stücke herausholen können. Fitz, ich brauche dich zum Abmessen und Aufteilen des Pulvers. Pflichtgetreu, Euch auch, und bringt Langschopf mit. Wir benötigen noch mehr passende Gefäße, um Feuer darin zu machen. Es wird nicht einfach sein, sie richtig zu zunden, aber ich bin davon überzeugt, dass möglichst gleichzeitige Explosionen uns am meisten nützen werden.«
Organisieren, improvisieren ... Chade war in seinem Element. Es bereitete ihm schier unglaubliche Freude, seine Gedanken in die Tat umzusetzen. Da erkannte ich, dass er auf seine Art einen exzellenten Soldaten und Strategen abgegeben hätte, ähnlich wie Veritas einer gewesen war. Seit ich ihn kannte, und das war fast mein ganzes Leben, hatte er stets am Lebendigsten gewirkt, wenn er alle Zurückhaltung ablegen und endlich handeln konnte.
Burrich begleitete uns, als wir
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