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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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verboten, den Geist von Tieren zu berühren.«
    »Bei mir war es fast genauso, als ich ein Junge war«, erzählte ich ihm. Plötzlich verunsichert rieb ich mir den Nacken. Was war an mir zu erzählen und was an Burrich? »Als ich älter wurde, hat er es mir eingehender erklärt. Ich denke, bei dir hätte er es genauso gemacht.«
    Ich atmete tief durch. Burrichs Hand lag in meiner. Ich fragte mich, ob er mir verzeihen würde, was ich nun tun würde, oder ob er mir gar gedankt hätte. »Ich erinnere mich noch gut an das erste Mal, als ich deinen Vater gesehen habe. Ich glaube, damals war ich ungefähr fünf Jahre alt. Veritas hat mich einen Gang hinunter in den Speisesaal der Gardisten von Mondauge geführt. Prinz Chivalric und die meisten seiner Gardisten waren nicht da, aber dein Vater war zurückgeblieben, weil er sich von einer Knieverletzung erholen musste. Das war übrigens die Verletzung, wegen der er bis heute hinkt. Er hatte sie sich zugezogen, als er zwischen einen wilden Eber und meinen Vater gesprungen war, um meinen Vater davor zu bewahren, von dem Keiler zerfetzt zu werden. So, da war also Burrich in einer Küche voller Gardisten, ein junger Mann im besten Kämpferalter, dunkel, wild und mit harten Augen. Und da war ich, der ich plötzlich in seine Obhut gegeben wurde, ohne Vorwarnung für einen von uns. Bis heute frage ich mich, was ihm wohl durch den Kopf gegangen ist, als Veritas mich ihm gegenüber an den Tisch gesetzt und vor allen Gardisten lauthals verkundet hat, ich sei Chivalrics Bastard und Burrich habe sich von nun an um mich zu kümmern.«
    Trotz der Umstände schlich sich ein leichtes Lächeln auf Flinks Gesicht. So begann die Nacht, und ich erzählte ihm Geschichten über den hitzköpfigen jungen Mann, der mich großgezogen hatte. Web saß eine Zeit lang neben uns. Ich bin nicht sicher, ob er zwischendurch eindöste. Als die Kerze zu flackern begann, legten wir uns zu beiden Seiten von Burrich nieder, um ihn warm zu halten, und ich sprach in der Dunkelheit weiter, bis Flink eingeschlafen war. Ich hatte den Eindruck, als hätte ich Burrich mit meinem zwiehaften Sinn stärker wahrgenommen, doch vielleicht lag das nur an mir und an den Erinnerungen, die ich heraufbeschwor. Mit den Erinnerungen daran, wie er mich ermutigt und diszipliniert hatte, an die Zeiten, da er mich gerecht bestraft oder gelobt hatte, kam nun das Verständnis für einen jungen Mann, der sein Leben um eines kleinen Jungen willen beschnitten hatte. Es erfüllte mich mit Demut, als ich erkannte, dass meine Abhängigkeit von ihm sein Leben genauso beeinflusst hatte wie meins.
    Als ich Burrich am nächsten Morgen Wasser gab, flatterten seine Augenlider ein wenig. Einen Moment lang blickte er zu mir auf. Dann keuchte er: »Danke«, doch ich glaube nicht, dass er das in Bezug auf das Wasser meinte. »Papa?«, fragte Flink ihn sofort, doch Burrich hatte schon wieder das Bewusstsein verloren.
    An diesem Tag kamen wir gut voran, und als der Abend nahte, beschlossen wir, weiterzugehen und zu versuchen, den Gletscher hinter uns zu bringen, bevor wir das Lager aufschlugen. Wir waren voller Enthusiasmus über diese Idee. Ich glaube, wir waren es alle Leid, auf dem Eis zu kampieren. Doch die Entfernung, die wir zurücklegen mussten, erwies sich als größer, als wir geglaubt hatten. Also marschierten wir weiter und weiter und wurden müder und müder, blieben aber stur. Niemand wollte zugeben, dass wir uns verrechnet hatten.
    Es war schon tief in der Nacht, als wir den Strand erreichten. Wir sahen das einladende Licht der Wachfeuer, und bevor mein müder Verstand begriff, dass ein Feuer für zwei Wachen gereicht hätte, hörten wir Churry uns zurufen. Prinz Pflichtgetreu beantwortete den Ruf, und sofort erhoben sich freudige Stimmen. Doch niemand von uns war darauf vorbereitet, Siebers Stimme darunter zu hören. Wenn ich mich daran erinnerte, in welchem Zustand ich ihn zuletzt gesehen hatte, sträubten sich mir die Nackenhaare. Einen wilden Augenblick lang hoffte ich jenseits aller Vernunft, dass auch der Narr dort irgendwo warten würde. Dann erinnerte ich mich daran, was mir Peottre erzählt hatte, und eine Welle der Trauer erfasste mich.
    Wir gehörten zu den Letzten, die den Strand erreichten. Als wir eintrafen, wurden bereits fleißig Geschichten ausgetauscht. Fast eine Stunde verging, bevor ich von jemandem herausbekam, was geschehen war. Sieber und siebzehn überlebende Outislander aus dem Palast der Bleichen Frau waren am Strand.

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