Die 39 Zeichen 01 - Die Katakomben von Paris
her!«
»Darf ich?«, fragte Alistair.
Amy wollte das Buch nie mehr loslassen. Sie wollte jedes einzelne Wort verschlingen, das ihre Mutter hineingeschrieben hatte.
Widerstrebend gab sie es Alistair. »Ich möchte es gleich zurück«, betonte sie.
»Das ist nicht fair!«, rief Dan.
Alistair setzte seine Brille auf und betrachtete einige der Seiten eingehend. »Interessant. Dieses Buch ist durch die Hände mehrerer Generationen gegangen. Diese Notizen hier sind in Grace’ Handschrift verfasst. Und hier ist die Handschrift meines Vaters, Gordon Oh. Und hier - James Cahill, Grace’ Vater. Gordon und James waren Brüder, wisst ihr, obwohl Gordons Mutter, meine Großmutter, Koreanerin war.«
»Das ist großartig«, sagte Dan ungeduldig. »Aber warum hat unsere Mutter etwas über Benjamin Franklin geschrieben?«
Alistair zog seine Augenbrauen hoch. »Offenbar war Benjamin Franklin ein Cahill. Das überrascht mich nicht. Er war schließlich ein Erfinder, genau wie ich. Ich würde sagen, die meisten der Bücher in dieser Bibliothek sind von Angehörigen unserer Familie geschrieben worden, egal ob sie ihre wahre Abstammung kannten oder nicht.«
Amy war starr vor Staunen. All diese berühmten Autoren … Cahills? Sollte es möglich sein, dass sie, wann immer sie in einer Bibliothek gesessen und in ein Buch versunken war, eigentlich die Worte ihrer Verwandten gelesen hatte? Sie konnte nicht glauben, dass die Cahills so mächtig waren, doch Mr McIntyre hatte ihnen erzählt, dass ihre Familie die menschliche Kultur gestaltet hatte. Zum ersten Mal begann sie zu verstehen, was das bedeuten konnte. Sie fühlte sich, als würde sich unter ihren Füßen ein gähnender Abgrund auftun.
Wie hatte ihre Mutter von dem ersten Hinweis wissen können, Jahre bevor sie auf diese Mission geschickt wurden? Warum hatte sie überhaupt etwas in dieses Buch geschrieben? Was hatte sie
mit dem Knochenlabyrinth gemeint? Es gab eindeutig zu viele Fragen, auf die sie keine Antwort wusste.
Inzwischen hüpfte Dan in seiner gewohnt nervigen Art herum. »Ich bin mit Benjamin Franklin verwandt? Du machst Witze!«
»Wieso lässt du keinen Drachen in einem Gewitter steigen und schaust, ob du vom Blitz erschlagen wirst?«, schlug Amy vor.
»Kommt jetzt, Kinder«, sagte Alistair. »Wir haben viel Arbeit zu erledigen, kein Streit bitte. Wir müssen uns diese Anmerkungen durchlesen und …«
»Augenblick mal.« Amys ganzer Körper spannte sich an. Ein beißender Geruch erfüllte die Luft. »Raucht hier jemand?«
Onkel Alistair und Dan blickten sich verwirrt um.
Dann sah Amy es. Weißer Rauch zog an der Decke entlang und verdichtete sich langsam zu einem tödlichen Nebel.
»Feuer!«, schrie Dan. »Zur Treppe!«
Doch Amy blieb wie angewurzelt stehen. Sie hatte Todesangst. Feuer brachte böse Erinnerungen zurück. Sehr böse Erinnerungen.
»Komm schon!« Dan zog an ihrer Hand. »Saladin - wir müssen ihn finden!«
Das erweckte Amy wieder zum Leben. Sie konnte nicht zulassen, dass dem Kater irgendetwas zustieß.
»Wir haben keine Zeit!«, drängte Onkel Alistair. »Wir müssen hier raus!«
Amys Augen brannten. Sie konnte kaum noch atmen. Sie suchte nach Saladin, doch der war verschwunden. Endlich zog Dan sie die Stufen hinauf und presste seine Schulter gegen die geheime Tür des Bücherregals. Sie bewegte sich nicht.
»Ein Hebel.« Dan hustete. »Es muss einen Hebel geben.«
Normalerweise war Dan gut darin, mechanischen Kram auszutüfteln, doch nun tasteten sie herum und fanden nichts. Der
Rauch wurde immer dichter. Amy drückte sich gegen die Wand und japste. »Die Wand wird immer heißer! Das Feuer kommt von der anderen Seite. Wir dürfen die Tür nicht öffnen!«
»Wir müssen!«, sagte Dan bestimmt, doch nun war Amy an der Reihe, ihn mit sich zu ziehen. Sie zerrte ihn die Treppe hinunter. Der Rauch war nun so dick, dass sie einander kaum noch sehen konnten.
»Halt dich so nah am Boden, wie du kannst!«, befahl Amy. Dan und sie krochen durch die Bibliothek, während sie verzweifelt nach einem zweiten Ausgang suchten. Sie hatte keine Ahnung, wohin Onkel Alistair verschwunden war. Die Bücherregale schwelten bereits - das ganze alte, trockene Papier war der perfekte Zündstoff.
Amy zog sich an einem Tisch empor und fand die Schmuckschatulle. Nimm keine Wertgegenstände mit . Sie wusste, dass dies eines der obersten Gebote war, wenn man lebend einem Feuer entkommen wollte. Doch sie nahm das Kästchen an sich und kroch weiter.
Die Hitze wurde
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