Die 39 Zeichen 01 - Die Katakomben von Paris
den Weg ab.
»An deiner Stelle würde ich nicht versuchen zu entkommen, Onkel Alistair«, sagte sie in süßl. »Es ist wirklich erstaunlich, wie viele Waffen ich in einem Flughafen mit mir herumtragen kann.«
Sie hielt eine Porzellanpuppe in einem blauen Satinkleid hoch. Natalie war eigentlich zu alt, um noch mit Puppen zu spielen, doch sie sah so unschuldig aus, dass keiner der Wachmänner Verdacht geschöpft hätte.
»Was ist das?«, fragte Alistair und versuchte, ruhig zu bleiben. »Eine Schusswaffe? Eine Bombe?«
Natalie lächelte. »Ich hoffe, das wirst du nicht herausfinden müssen. Das gäbe eine ziemliche Sauerei.«
»Geh einfach weiter, Onkel Alistair«, sagte Ian streng. »Wir wollen doch nicht auffallen.«
Sie durchquerten den Terminal. Alistairs Herz pochte. Er konnte spüren, wie Poor Richard’s Almanack in seiner Jackentasche bei jedem seiner Schritte gegen seine Brust schlug.
»Nun«, fragte Alistair. »Wann seid ihr angekommen?«
»Oh, wir sind schon eine Weile hier. Wir sind mit unserem
Privatjet geflogen«, entgegnete Ian. »Da sind auch die Sicherheitsbestimmungen nicht so streng, weißt du? Wir dachten einfach, wir sagen dir hallo!«
»Wie nett«, antwortete Alistair. »Aber ich habe nichts, das euch interessieren könnte.«
»Da haben wir aber etwas anderes gehört«, warf Natalie ein. »Gib uns das Buch.«
»Alistairs Kehle wurde trocken. »Woher wisst ihr davon?«
»Neuigkeiten verbreiten sich schnell«, sagte Natalie. »Wir haben unsere Informanten.«
» Natalie «, herrschte Ian sie an. »Ab jetzt rede ich, vielen Dank. Halt einfach die Puppe fest.«
Sie blickte ihn verärgert an, wodurch ihr Gesicht nicht mehr halb so hübsch aussah. »Ich kann reden, wann ich will, Ian. Mutter und Vater haben gesagt …«
»Zur Hölle mit den beiden! Ich sage, wo’s langgeht!«
Natalie sah aus, als wollte sie zurückschreien, doch sie schluckte ihren Zorn hinunter. Alistair sah besorgt, wie sie die Puppe mit festem Griff umklammerte. Er vermutete, dass das Ding irgendwo einen Abzug hatte, und er wollte lieber nicht wissen, was passierte, wenn sie aus Versehen abdrückte.
»Ihr wollt sicher keinen weiteren Krieg zwischen unseren Häusern«, versuchte es Alistair mit Diplomatie. »Ein Telefonanruf, und ich kann Hilfe von Rio de Janeiro bis Tokyo herbeiholen.«
»Das können wir auch«, sagte Ian. »Und ich kenne die Geschichte meiner Familie, Alistair. Das letzte Mal, als unsere Häuser miteinander im Krieg lagen, ging es für euch nicht sehr gut aus, nicht wahr?«
Alistair ging weiter und dachte angestrengt nach. Ein Gendarm
stand an einem Sicherheitsschalter vor ihnen, ungefähr zwanzig Meter entfernt. Wenn Alistair die beiden ablenken könnte …
»Die Explosion in Sibirien 1908«, sagte er zu Ian. »Ja, das war recht eindrucksvoll. Doch dieses Mal steht mehr auf dem Spiel.«
»Genau«, stimmte Ian ihm zu. »Gib uns also das Buch, Alistair, bevor wir dir wehtun müssen.«
Natalie lachte. »Wenn du dich hören könntest, Ian. Wirklich.«
Ihr Bruder runzelte die Stirn. »Bitte?«
Fünf Meter noch bis zum Gendarm , dachte Alistair, jetzt nur ruhig bleiben .
»Ach nichts«, antwortete Natalie ihrem Bruder leichthin. »Du bist nur so unglaublich langweilig. Ohne mich könntest du nicht mal diesem erbärmlichen alten Mann Angst einjagen.«
Ians Gesichtsausdruck wurde härter. »Das könnte ich mit allergrößter Sicherheit, du nutzloses, kleines Biest.«
Natalie trat vor Alistair, entschlossen, ihrem Bruder gegen das Schienbein zu treten, und das war Alistairs Chance. Er trat einen Schritt zurück, dann einen zur Seite, und bevor die Kabras ihn wieder umzingeln konnten, stand Alistair neben dem Gendarm und sprach so laut er konnte auf Französisch auf ihn ein.
» Merci , Nichte und Neffe!«, rief er in Richtung der Kabras. »Eure Eltern werden sich Sorgen machen. Lauft schon vor und sagt ihnen, dass ich in ein paar Minuten nachkommen werde. Ich muss diesen Polizisten hier noch etwas fragen. Ich habe vergessen, meine frischen Früchte im Zoll anzugeben.«
»Frische Früchte?«, sagte der Polizist. »Mein Herr, das ist sehr wichtig. Kommen Sie bitte mit!«
Alistair zuckte entschuldigend die Achseln in Richtung der Kabras. »Ihr müsst mich entschuldigen.«
Ians Augen waren so voller Zorn, dass sie aussahen, als könnten
sie jeden Moment Feuer fangen, doch er brachte ein steifes Lächeln zustande. »Natürlich, Onkel Alistair. Keine Sorge. Wir werden dich auf jeden Fall später
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