Die 39 Zeichen 02 - Mozarts Geheimnis
Tisch, hielt den Stuhl und ihren Bruder umklammert, der auf Zehenspitzen auf zwei Telefonbüchern stand, die auf der Sitzfläche lagen.
Er streckte sich und fühlte, wie sich seine Hand um das ledergebundene Buch schloss. »Ich hab’s!«
Dann zog er das Tagebuch von Anna Maria Mozart aus dem Kronleuchter hervor.
Der Au-pair-Job bei den Cahills hatte Nellie Erfahrungen machen lassen, die sie niemals vorausgesehen hatte. Diese war eine von ihnen - auf Händen und Knien durch ein marmornes Badezimmer zu kriechen und die Toilette eines Herzogs zu scheuern.
Hier drin gibt es nun wirklich keinen Schimmel , dachte sie schlecht gelaunt. Doch vielleicht konnte der Adel Flecken ausfindig machen, die gewöhnliche Menschen nicht sehen konnten, so ähnlich wie in der »Prinzessin auf der Erbse«.
»Der Großherzog und die Schüssel«. Klasse Titel.
Eines jedenfalls war sicher. Hierfür schuldeten ihr Amy und Dan wirklich etwas. Sie fragte sich, ob sie es inzwischen wohl geschafft hatten, das Tagebuch zu finden. Dann könnte sie nämlich dem hochnäsigen Sekretär des
Großherzogs mit der Toilettenbürste eins überbraten, um endlich diese Fünf-Sterne-Freakshow hinter sich zu lassen.
Ihre Miene verfinsterte sich, während sie sich ein düstereres Bild ausmalte - Amy und Dan überwältigt, festgenommen oder Schlimmeres. Wer wusste schon, welche Gefahren bei diesem »Der Sieger kriegt alles«-Spiel lauerten? Die Sicherheitsleute des Hotels waren schon furchteinflößend genug, doch die Mitglieder dieser verrückten Cahill-Familie waren zu allem fähig! Der Sieger dieses Wettbewerbs könnte im wahrsten Sinnen des Wortes die Weltherrschaft erringen. Was für furchtbare Dinge würden dafür einige tun? Und vor allem: Welche Chance hatten da zwei halbwüchsige Kinder?
Eine mürrische Stimme unterbrach ihre Gedanken: »Sie arbeiten nicht für uns, Fräulein. Was tun Sie in dieser Suite?«
Nellie rutschte das Herz in die Hose und sie drehte sich um. Neben dem Sekretär des Großherzogs stand ein uniformierter Wachmann.
Sie versuchte es mit einem Bluff. »Natürlich arbeite ich hier. Glauben Sie etwa, ich komme aus reinem Vergnügen in Hotels, um die Toiletten von Fremden zu schrubben?«
»Sie arbeiten nicht hier«, wiederholte der Mann humorlos.
»Kennen Sie jeden einzelnen Angestellten hier?«, setzte sie alles auf eine Karte.
»Nein«, gab er zu. »Sie haben aber einen Ring in der Nase. Das entspricht nicht den Regeln des Hotels. Sie werden mit mir kommen.«
Nellie dachte fieberhaft nach. Sie versuchte abzuschätzen, wie groß der Ärger war, in dem sie steckte. Sie war fremd in diesem Land. Wenn man sie am Ende auswies, was würde dann mit Amy und Dan passieren?
»Okay, Sie haben mich erwischt. Ich bin hier nur aus Versehen gelandet. Eigentlich wollte ich in die Suite von Jonah Wizard. Ich bin sein größter Fan. Ich muss ihn einfach treffen! Aber ich habe mich im Zimmer geirrt.«
Die Augen des Mannes musterten sie misstrauisch. »Und Sie haben sich ganz allein auf dieses Abenteuer eingelassen? Sonst ist keiner bei Ihnen?«
»Ich bin ganz allein«, antwortete sie, vielleicht etwas zu schnell. »Und es ist kein Verbrechen, auf Jonah Wizard zu stehen. Er ist einfach der coolste …«
Ein Stockwerk tiefer erschütterte ein ohrenbetäubender Krach das Gebäude.
Der Wachmann feuerte böse Blicke auf Nellie ab. »Die Suite der Wizards! Fräulein, ich hoffe für Sie, dass diese Störung nichts mit Ihnen zu tun hat, andernfalls werden Sie unsere österreichische Gastfreundschaft noch von einer ganz anderen Seite kennenlernen.«
»Dan, bist du okay? Geht es dir gut?«
Dan lag zwischen den kaputten Resten des Stuhls und den Glassscherben der Tischplatte auf dem Boden der
Suite. Er stöhnte und setzte sich auf, das Tagebuch hielt er wie einen Football gegen seinen Körper gepresst. »Was ist passiert?«
»Ich bin mir nicht sicher«, antwortete Amy, die ihrerseits auch noch nicht wieder ganz bei sich war. Sie half Dan auf die Füße und suchte ihn nach Schnittwunden ab. »Entweder ist der Stuhl zusammengebrochen, sodass wir durch den Tisch gefallen sind, oder der Tisch ist zuerst zerbrochen, sodass dann der Stuhl kaputtgegangen ist. Im Grunde ist das nicht wichtig. Wir müssen hier raus - das halbe Hotel muss den Krach gehört haben!«
Sie liefen gerade in dem Moment aus Suite 160, als ein uniformierter Wachmann aus dem Treppenhaus stürzte, niemand anderen als Nellie im Schlepptau.
Es gab keine Möglichkeit, die
Weitere Kostenlose Bücher